Für
Bauverträge wird die neue Regelung zur fiktiven Abnahme in § 640
Absatz 2 BGB-E durch § 650f BGB-E ergänzt, der eine Regelung zur
Zustandsfeststellung für den Fall enthält, dass die Abnahme
verweigert wird, und in Ergänzung zu den allgemeinen Regeln und §
644 eine Regelung zur Gefahrtragung trifft.
Zu
Absatz 1
Kommt
es nicht zu einer Abnahme des Bauwerks oder der Außenanlage, weil
die Vertragspartner über die Abnahmereife des Werks streiten,
besteht in der Praxis das Bedürfnis, den Zustand des Werks zum
Zeitpunkt des Abnahmeverlangens
zu dokumentieren, um in einem späteren Prozess die Sachaufklärung
zu erleichtern.
Insbesondere
wenn der Besteller das Werk ohne vorherige Abnahme in Benutzung
genommen hat, entstehen bei einer späteren
Abnahme häufig Unsicherheiten darüber, ob dann festgestellte Mängel
aus dem Verantwortungsbereich des
Bestellers oder dem des Unternehmers stammen. Ein entsprechendes
Bedürfnis zur Dokumentation des Zustands
kann auch bestehen, wenn die Vertragspartner einig sind, dass das
Werk nicht abnahmereif ist.
Künftig
soll den Besteller eine Obliegenheit treffen, auf Verlangen des
Unternehmers an einer gemeinsamen Feststellung
des Zustands des Werks mitzuwirken. Diese Zustandsfeststellung
ersetzt nicht die Abnahme und hat auch
keine
sonstigen Ausschlusswirkungen, sie dient – entsprechend ihrer
Bezeichnung – lediglich der Dokumentation des
Zustands des Werks, um späterem Streit vorzubeugen und ist die
Grundlage für eine modifizierte Gefahrtragung.
In
Satz 2 werden Anforderungen an die Form der gemeinsamen
Zustandsfeststellung durch Unternehmer und Besteller
aufgestellt. Mit Blick auf ihre Dokumentationsfunktion ist
vorgesehen, dass diese von beiden Vertrags-
parteien
zu unterschreiben ist und mit dem Datum ihrer Anfertigung versehen
werden soll.
Zu
Absatz 2
In
der Regel werden die Parteien den Zustand des Werks gemeinsam
feststellen, aber auch eine einseitige Zustandsfeststellung
durch den Unternehmer soll möglich sein und die in Absatz 3
vorgesehenen Rechtfolgen auslösen.
Absatz
2 konkretisiert die Anforderungen an eine einseitige
Zustandsfeststellung durch den Unternehmer. Sie soll dann
möglich sein, wenn der Besteller einem vereinbarten oder von dem
Unternehmer innerhalb einer angemessenen
Frist bestimmten Termin fernbleibt. Dies gilt nicht, wenn der
Besteller infolge eines Umstands fernbleibt, den
er nicht zu vertreten hat und den er dem Unternehmer unverzüglich
mitgeteilt hat. Auf diese Weise soll erreicht
werden, dass sich die Vertragsparteien über den Termin zur
Zustandsfeststellung austauschen und dass die
Frage
des Vertretenmüssens eines etwaigen Fernbleibens des Bestellers noch
vor dem Termin von ihnen erörtert wird.
Die
Voraussetzungen einer einseitigen Zustandsfeststellung liegen nicht
vor, wenn sich beide Vertragsparteien zu einer
gemeinsamen Zustandsfeststellung einfinden, sich in der Folge aber
nicht auf den festzustellenden Zustand einigen
können. In diesem Fall steht es den Parteien offen, in einem
selbständigen Beweisverfahren gemäß §§
485 ff. ZPO den Zustand des Werks von einem gerichtlich bestellten
Sachverständigen feststellen zu lassen.
Damit
der Besteller vom Inhalt der einseitigen Zustandsfeststellung
Kenntnis erhält und nachträglichen Änderungen
der Zustandsfeststellung vorgebeugt wird, ist in Absatz 2 Satz 2
vorgesehen, dass der Unternehmer die einseitige
Zustandsfeststellung mit der Angabe des Tages der Anfertigung zu
versehen und sie zu unterschreiben
sowie
dem Besteller eine Abschrift der einseitigen Zustandsfeststellung zur
Verfügung stellen hat.
Da die Zustandsfeststellung
im Interesse beider Vertragspartner liegt, hat jede Partei die ihr
entstehenden Kosten der Zustandsfeststellung
grundsätzlich selbst zu tragen. Etwas anderes soll nur dann gelten,
wenn die Voraussetzungen
eines
Schadensersatzanspruchs vorliegen (§ 280 Absatz 1). Dies kann etwa
der Fall sein, wenn der Unternehmer den
Besteller zur Abnahme auffordert, obwohl das Werk offensichtlich
wesentliche Mängel aufweist.
Zu
Absatz 3
An
die Zustandsfeststellung nach den Absätzen 1 und 2 soll unter
bestimmten Voraussetzungen eine Vermutung geknüpft
werden, die den Werkunternehmer davon entlastet auch für Mängel des
Werks einstehen zu müssen, die wahrscheinlich
nicht von ihm verursacht sind.
Wird
die Abnahme unter Hinweis auf Mängel verweigert, entsteht zwischen
den Parteien häufig Streit darüber, ob
es sich um wesentliche Mängel handelt, die den Besteller zu der
Abnahmeverweigerung berechtigten, oder lediglich
um unwesentliche Mängel, die ihn zu einer Abnahme verpflichten.
Häufig geht das Werk vor der Abnahme
bereits in den Einflussbereich des Bestellers über und wird von
diesem genutzt. Während der Unternehmer die
gerügten Mängel beseitigt, treten nicht selten weitere
Beeinträchtigungen an dem Werk auf, deren Ursache
unklar
ist. Da der Unternehmer auch im Falle von Störungen weiterhin zur
Herstellung eines vollständig mangelfreien
Werks verpflichtet ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Auflage, § 644
Rn. 2) und die Gefahr bis zur Abnahme
des
Werks trägt (§ 644 Absatz 1), hat er bis zur Abnahme die
Mangelfreiheit zu beweisen.
Wurde das Werk zwischenzeitlich
durch den Besteller selbst beeinträchtigt, muss er diese Schäden
ebenfalls beseitigen, wenn er nicht
nachweisen kann, dass sie vom Besteller verursacht wurden.
Dieses
Risiko des Unternehmers schränkt Absatz 3 ein. Ist das Werk dem
Besteller verschafft worden und hat eine
Zustandsfeststellung nach den Absätzen 1 oder 2 stattgefunden, gilt
die Vermutung, dass ein offenkundiger Mangel,
der in der Zustandsfeststellung nicht angegeben wurde, nach der
Zustandsfeststellung entstanden und vom
Besteller zu vertreten ist.
Um
einen offenkundigen Mangel handelt es sich dann, wenn der Mangel bei
einer ordnungsgemäßen Zustandsfeststellung
ohne weiteres hätte entdeckt werden müssen. Bei der Auslegung des
Begriffs „offenkundig“ ist die jeweilige
Fachkunde des Bestellers zu berücksichtigen.
Voraussetzung
des Eintritts der Vermutung ist, dass die Anforderungen an eine
Zustandsfeststellung nach Absatz
1 oder Absatz 2 eingehalten sind. Verzichtbar ist lediglich die
Angabe des Tages der Anfertigung der gemeinsamen
Zustandsfeststellung nach Absatz 1 Satz 2, die ebenso wie in § 585b
Absatz 1 Satz 3 als „Sollvorschrift“
ausgestaltet wurde.
Nach
Absatz 3 Satz 2 gilt die Vermutung nicht, wenn der Mangel seiner Art
nach nicht vom Besteller verursacht sein
kann. Dies ist etwa der Fall, wenn es sich um einen Materialfehler
handelt oder der der Mangel darin besteht,
dass
das Werk nicht nach den Planungsvorgaben hergestellt wurde.
Die
Vermutung geht dahin, dass der offenkundige Mangel nach der Zustandsfeststellung entstanden und vom Besteller
zu vertreten ist. Auf diesem Wege können dem Besteller auch von
Dritten verursachte Schäden zugerechnet
werden, wenn er die Vermutung nicht erschüttern kann. Dies erscheint
jedoch gerechtfertigt, weil der Besteller
bereits im Besitz des Werkes ist und daher Beeinträchtigungen durch
Dritte eher vermeiden kann als der Unternehmer,
der dafür bisher einzustehen hat.
© Marc Husmann Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.