Samstag, 18. März 2017

Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650c BGB-E

Zu § 650c BGB-E (Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b Absatz 2)
Ergänzend zu den Regelungen für ein Anordnungsrecht des Bestellers in § 650b Absatz 2 BGB-E enthält § 650c BGB-E Vorgaben zur Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung bei solchen Anordnungen. 

Ziel der Einführung eines Berechnungsmodells für die Mehr- oder Mindervergütung ist es, Spekulationen einzudämmen und Streit der Parteien über die Preisanpassung weitestgehend zu vermeiden. Die gesetzliche Regelung soll Anreize sowohl für eine korrekte Ausschreibung durch den Besteller als auch eine korrekte und nachvollziehbare Kalkulation durch den Unternehmer setzen. Durch die Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung nach den tatsächlich erforderlichen Kosten soll insbesondere verhindert werden, dass der Unternehmer auch nach Vertragsschluss
angeordnete Mehrleistungen nach den Preisen einer Urkalkulation erbringen muss, die etwa mit Blick auf den Wettbewerb knapp oder sogar nicht auskömmlich ist oder inzwischen eingetretene Preissteigerungen nicht berücksichtigt. Zugleich soll der Berechnungsmaßstab der tatsächlich erforderlichen Kosten die Möglichkeiten für den Unternehmer einschränken, durch Spekulationen ungerechtfertigte Preisvorteile zu erzielen.

Die Mehr- oder Mindervergütung soll nicht auf der Grundlage der für die geänderte Bauleistung insgesamt „üblichen Vergütung“ im Sinne des § 632 berechnet werden. Zum einen gibt es für viele (Spezial-)Bauleistungen keine „übliche“ Vergütung. Zum anderen würde bei Änderungsnachträgen, bei denen nur die Art der Ausführung der Bauleistung, nicht jedoch der Aufwand (Material, Zahl der Arbeitsstunden etc.) geändert wird, eine Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung nach der üblichen Vergütung nicht zu angemessenen Ergebnissen führen.

Erwogen wurde, bei der Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung zwischen einer Anordnung zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs und der Anordnung zur Änderung des Werkerfolgs zu unterscheiden. Danach würde bei einer Anordnung zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs die Mehr- oder Mindervergütung auf der Basis des ursprünglich vereinbarten Preisniveaus berechnet, bei Leistungsänderungen dagegen auf die Vertragspreise unter Berücksichtigung der geänderten preisrelevanten Umstände (z. B. Materialpreise, Löhne) im Änderungszeitpunkt abgestellt. Ziel dieses Berechnungsmodells ist es, der Nachkalkulation bei Anordnungen zur Erreichung
des Werkerfolgs den Preis zu Grunde zu legen, den die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die zusätzlich notwendigen Leistungen beim Vertragsschluss bekannt gewesen wären und sie diese gleich berücksichtigt hätten.

Das letztlich favorisierte Modell berücksichtigt den Einwand, dass eine Differenzierung zwischen den beiden Anordnungsvarianten schwierig sein und unnötige Probleme bereiten kann.

Im Einzelnen ist Folgendes vorgesehen:

Die für die unveränderten Vertragsleistungen vereinbarten Preise bleiben unberührt.
Mehr- oder Minderleistungen werden nach den hierfür tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn abgerechnet. Bei der Ermittlung des veränderten Aufwandes nach den tatsächlichen Kosten ist die Differenz zwischen den hypothetischen Kosten, die ohne die Anordnung des Bestellers entstanden wären, und den Ist-Kosten, die aufgrund der Anordnung tatsächlich entstanden sind, zu bilden. Diese Differenz ist die Grundlage für die Vergütung für den geänderten Aufwand.

Die Zuschläge für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn müssen angemessen sein. Der bloße Verweis des Unternehmers auf die Urkalkulation genügt nicht, um die Angemessenheit der Zuschlagssätze darzulegen.
Innerhalb einer Nachtragsberechnung darf es keine Kombination zwischen den tatsächlich erforderlichen Kosten einerseits und den kalkulierten Kosten andererseits geben, um keine Anreize für spekulative Kostenverschiebungen zu schaffen. Damit scheidet im Rahmen des Absatzes 1 ein Rückgriff auf die hinterlegte Urkalkulation aus.
Die Berechnung der Mehr- oder Mindervergütung wird nicht um einen sogenannten Vertragspreisniveaufaktor ergänzt. Die Anwendung dieses Faktors würde dazu führen, dass die ursprünglich einkalkulierte Gewinn- oder Verlustspanne auch bei der Berechnung der Vergütung für die Nachträge zugrunde zu legen wäre, was im Ergebnis zu einer Potenzierung der Gewinne oder Verluste der Ausgangskalkulation führen würde. Stattdessen soll die
im Wettbewerb für die Ausgangsleistungen zustande gekommene anteilige Gewinn- oder Verlustspanne für die jeweilige Bezugsposition in ihrer ursprünglichen Höhe (d. h. als Absolutbetrag) erhalten bleiben und dadurch das Preisrisiko für die Vertragsparteien begrenzt werden.

Um die Abrechnung praktikabel zu gestalten, wird dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnet, zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag auf die Kostenansätze einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation zurückzugreifen. Ergänzend greift eine widerlegliche Vermutung, dass die in dieser Urkalkulation enthaltenen beziehungsweise fortgeschriebenen Preis- und Kostenansätze den tatsächlich erforderlichen Kosten entsprechen und hinsichtlich der Zuschläge weiterhin angemessen sind. Hinsichtlich eines Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten wird mithin vermutet, dass er weiterhin zutreffend ist. Haben sich die allgemeinen Geschäftskosten erhöht,
hat der Unternehmer die Möglichkeit, die Berechnungsmethode nach Absatz 1 zu wählen und sie auf andere Weise schlüssig darzulegen. In die Vermutung für die Ansätze der Urkalkulation einbezogen wurden auch Zuschläge für Wagnis und Gewinn. Solche Zuschläge werden im Wettbewerb um die Ausgangsleistung erzielt, so dass es sachgerecht ist, sie über die Vermutung im Zweifel fortzuschreiben. Bei unternehmensbezogen kalkulierten Zuschlägen bezieht sich die widerlegliche Vermutung auch auf die in der Urkalkulation ausgewiesenen Ansätze und Bezugsgrößen, wie Umsatz, Bauzeit oder projektbezogene Festbeträge.

Dadurch wird gewährleistet, dass die Vertragsparteien für die Ermittlung der tatsächlich erforderlichen Kosten keine Neuberechnung vornehmen müssen, sondern – wie bisher – auf die in der Regel vorhandene Urkalkulation des Unternehmers zurückgreifen können. Die Vermutungswirkung kann jedoch nur greifen, wenn die vom Unternehmer offenbarte oder zumindest hinterlegte Urkalkulation ausreichend aufgeschlüsselt ist. Ein wichtiger Nebeneffekt dieser Regelung ist der Anreiz für den Unternehmer, die Kalkulationen nachvollziehbar zu gestalten,
um sie – gestützt auf die gesetzliche Vermutung – für die Berechnung der „Ist-Kosten“ heranziehen zu können.
Für den Unternehmer ergibt sich also ein Wahlrecht, ob er „Nachträge“ auf Basis seiner ursprünglichen Kalkulation (Absatz 2) oder nach den tatsächlich erforderlichen Kosten (Absatz 1) abrechnen will. Um Spekulationen bei der Preisgestaltung zu verhindern, kann der Unternehmer das Wahlrecht für jeden Nachtrag nur insgesamt ausüben („Vergütung für den Nachtrag“). Je nachdem wie er sich entschieden hat, hat er konsequent entweder die
Urkalkulation fortzuschreiben oder die tatsächlich erforderlichen Mehr- oder Minderkosten für die nachträglich angeordnete Leistung darzulegen.

Besteht zwischen den Parteien Streit über die nach den Absätzen 1 und 2 geschuldete Mehrvergütung, ergibt sich für den Unternehmer das Risiko, dass er die infolge der Änderung geschuldete Mehrleistung zunächst ohne Vergütung erbringt und eine Klärung der Mehrvergütung erst im Zusammenhang mit der Schlussrechnung erfolgt.

Um hier zu gewährleisten, dass jedenfalls ein Teil der geschuldeten Mehrvergütung im Rahmen von Abschlagszahlungen berücksichtigt wird, sieht Absatz 3 eine vorläufige Pauschalierung vor. Danach kann der Unternehmer bei der Berechnung von vereinbarten oder gemäß § 632a geschuldeten Abschlagszahlungen 80 Prozent einer in einem Angebot nach § 650b Absatz 1 Satz 2 genannten Mehrvergütung ansetzen, wenn sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder eine anderslautende gerichtliche Entscheidung ergeht. Auf diese Weise erhält
der Unternehmer während der Ausführung des Baus einen leicht zu begründenden vorläufigen Mehrvergütungsanspruch. Hält der Besteller ihn für überhöht, muss er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

Kommt die vorläufige Berechnung der Abschläge nach der 80-Prozent-Regelung zur Anwendung, erfolgt die genaue Berechnung der Mehrvergütung erst in der Schlussrechnung. Der Anspruch des Unternehmers auf die nach den Absätzen 1 und 2 berechnete Mehrvergütung wird dann erst nach der Abnahme des Werkes fällig (Satz 2). Für den Fall, dass sich nunmehr eine Überzahlung durch den Besteller ergibt, sieht Satz 3 einen Rückgewähranspruch vor.

Nach Absatz 4 Satz 1 können die Parteien eine andere Vereinbarung für die Vergütungsanpassung treffen.
Dadurch wird klargestellt, dass die Parteien einzelvertraglich auch eine andere Berechnungsmethode vereinbaren können. Diese kann sich sowohl auf die Gesamtvergütung, als auch auf Abschlagszahlungen beziehen. Wird eine andere Berechnungsmethode in AGB vereinbart, unterliegt diese Klausel grundsätzlich der Inhaltskontrolle des § 307.

Eine Ausnahme davon, die über die Privilegierung des § 310 Absatz 1 Satz 3 hinausgeht, sieht Absatz 4 Satz 2 für die VOB/B vor: Wird die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen als Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, findet § 307 Absatz 1 und 2 danach in Bezug auf eine Inhaltskontrolle von Bestimmungen zur Berechnung der Vergütungsanpassung abweichend von § 310 Absatz 1 Satz 3 auch dann keine Anwendung, wenn die Bestimmungen der VOB/B zum Anordnungsrecht
und zur Vergütungsanpassung ohne inhaltlichen Abweichungen insgesamt in den Vertrag einbezogen sind. Es soll hier also für die Privilegierung nicht erforderlich sein, dass die VOB/B in Gänze vereinbart wird, sondern nur die Bestimmungen der VOB/B zum Anordnungsrecht und zur Vergütungsanpassung in Gänze vereinbart werden.

Das neue Privileg ermöglicht es den Parteien im Bereich der öffentlichen und gewerblichen Aufträge, gemäß § 2 Absatz 5 und Absatz 6 VOB/B und der dazu entstandenen Praxis den neuen Preis weiterhin unter Fortschreibung der Auftragskalkulation/Urkalkulation zu berechnen, wenn sie zumindest die Bestimmungen der VOB/B zum Anordnungsrecht und zur Vergütungsanpassung ohne Abweichungen insgesamt vereinbart haben. Vereinbaren die Parteien sonstige Abweichungen von der VOB/B oder machen sie von deren Öffnungsklauseln Gebrauch, schließt dies die Privilegierung nicht aus. Mit dieser Regelung soll ermöglicht werden, die im Rahmen von
VOB/B-Verträgen seit vielen Jahren praktizierte und von den Beteiligten auch akzeptierte Praxis der Preisfortschreibung fortgeführt werden kann, obwohl sie vom gesetzlichen Leitbild des § 650c BGB-E abweicht.
Um möglichen Änderungen der VOB/B Rechnung zu tragen, sieht Absatz 4 Satz 2 eine gleitende Verweisung vor. Privilegiert wird die VOB/B in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung. Diese besondere Privilegierung der VOB/B hinsichtlich des Anordnungsrechts und der Vergütungsanpassung erscheint gerechtfertigt, weil davon ausgegangen werden kann, dass die Mitglieder des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses für Bauleistungen (DVA) in einem derart wichtigen und praxisrelevanten Regelungsbereich – auch
für sich alleine betrachtet – keine für eine Partei gänzlich unvertretbare Bestimmung vereinbaren werden. Mit Blick auf die paritätische Besetzung des DVA mit Vertretern der betroffenen Besteller und Unternehmer erscheint die Prognose gerechtfertigt, dass das Anordnungsrecht des Bestellers und das daran anschließende Preisanpassungsrecht des Unternehmers in der VOB/B auch künftig zu einem für die Beteiligten akzeptablen Ausgleich gebracht wird.

Durch Absatz 5 sollen parallel zu der Regelung in § 650b Absatz 3 einstweilige Verfügungen zur Durchsetzung von Forderungen des Unternehmers auf Abschlagszahlungen oder Sicherheitsleistungen, die sich wegen Anordnungen des Bestellers geändert haben, erleichtert werden. Auch insoweit wird danach widerleglich vermutet, dass ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO nach Beginn der Bauausführung gegeben ist, und damit eine
Entscheidung im Wege der einstweiligen Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist.
Es ist anzunehmen, dass es in der künftigen Praxis weniger Streitigkeiten über die Zumutbarkeit einer Änderungsanordnung des Bestellers als über die aus einer Änderungsanordnung folgende Vergütungsanpassung geben wird.
Zudem sind die grundsätzlich vorleistungspflichtigen Unternehmer in besonderem Maße auf Liquidität – etwa durch an den neuen Leistungsumfang angepasste Abschlagszahlungen – angewiesen. Dies gilt vor allem dann, wenn es aufgrund der Änderungsanordnung zu erheblichen Kostensteigerungen kommt. Daher soll den Unternehmern ermöglicht werden, im einstweiligen Verfügungsverfahren schnell einen Titel über den geänderten Abschlagszahlungsanspruch oder die nunmehr zu gewährende Sicherheit zu erlangen. Macht der Unternehmer von
seiner vorläufigen Pauschalisierungsmöglichkeit der Mehrvergütung nach Absatz 3 Satz 1 Gebrauch, dient die erleichterte einstweilige Verfügung auch den Interessen des Bestellers. Er kann so überhöhten Ansprüchen schnell entgegentreten.
Bereits nach geltender Rechtslage lässt die Rechtsprechung eine auf Zahlung von Geld – und damit auf vorläufige Befriedigung – gerichtete einstweilige (Leistungs-)Verfügung zu. An das Bestehen eines Verfügungsgrundes stellt sie jedoch insoweit erhöhte Anforderungen: Der Antragsteller bedarf dringend der sofortigen Erfüllung seines Anspruchs; die geschuldete Handlung muss, soll sie nicht ihren Sinn verlieren, so kurzfristig zu erbringen sein, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht mehr möglich erscheint; dem Antragsteller müssen aus der Nichtleistung Nachteile drohen, die schwer wiegen und außer Verhältnis zu dem Schaden stehen,
der dem Antragsgegner droht (vgl. Musielak/Voit/Huber, ZPO, 12. Auflage 2015, § 940 Rn. 14; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Auflage 2016, § 940 Rn. 6). 

Diese insbesondere im Unterhaltsrecht entwickelten Voraussetzungen dürften trotz ihrer großen Bedeutung für die Liquidität von Bauunternehmern nach geltendem Recht in Bezug auf
Abschlagsforderungen zumeist nicht gegeben sein. Hier knüpft der vorgeschlagene Absatz 5 an, indem er die Voraussetzungen, unter denen der Unternehmer eine auf Zahlung gerichtete einstweilige Verfügung erlangen kann, nach Beginn der Bauausführung absenkt.

Zu den §§ 650d, 650e BGB-E (Sicherungshypothek des Bauunternehmers, Bauhandwerkersicherung)
Die Vorschriften zur Sicherungshypothek des Bauunternehmers (§ 648 Absatz 1) und zur Bauhandwerkersicherung (§ 648a) betreffen ausschließlich Bauverträge. Sie werden daher aus systematischen Gründen als §§ 650d und 650e BGB-E in Kapitel 2 übernommen. Dabei werden aufgrund der Definition des Bauvertrages in § 650a BGB-E geringfügige redaktionelle Änderungen an beiden Vorschriften vorgenommen. Da sich beide Vorschriften in Kapitel 2 finden und damit auf Bauverträge im Sinne des § 650a BGB-E anzuwenden sind, kann auf die bisherige ausdrückliche Beschreibung ihres Anwendungsbereichs verzichtet werden. Dabei wird der Anwendungsbereich des bisherigen § 648 Absatz 1 (jetzt § 650d BGB-E) geringfügig erweitert, da nunmehr auch ein mit der

Errichtung einer Außenanlage betrauter Unternehmer eine Sicherungshypothek verlangen kann.


©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.