Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider können unter
bestimmten Bedingungen legionellenhaltige Wassertröpfchen (Aerosole)
emittieren, die beim Einatmen bei Menschen zu schweren Lungenentzündungen
sogar mit Todesfolge führen können.
Legionellen sind natürlich vorkommende Wasserbakterien, die aus der Umwelt in
geringen Konzentrationen in technische Wassersysteme gelangen. Unter für sie
günstigen Bedingungen können sie sich in diesen Systemen stark vermehren.
Legionellen stellen ein gesundheitliches Risiko dar, da sie beim Einatmen der
Aerosole durch den Menschen und in seltenen Fällen durch Aspiration, d.h. durch
„Verschlucken“ von Wasser in die Lunge, zu schweren Lungenentzündungen
führen können. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet nicht statt.
Bundesweit sind zehn Tote sicher auf Infektionen mit Legionellen aus
Verdunstungskühlanlagen zurückzuführen.
Zur Vorbeugung des Austrags von Legionellen, die von den o.g. Anlagen in die
Atmosphäre emittiert werden können, sind Vorgaben für die Anlagen und ihren
Betrieb erforderlich. Das BImSchG bietet hierfür eine geeignete und sachgerechte
Grundlage. Deshalb sollten bundeseinheitliche rechtliche Regelungen auf dieser
Grundlage geschaffen werden. Dies kann auf Basis der im BImSchG vorhandenen
Ermächtigungsgrundlage des § 23 Absatz 1 Satz 1 BImSchG durch eine
Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider
geschehen.
Bei konservativer Abschätzung sind jährlich mindestens 110 Infektionen mit
Legionellen auf Ausbruchsgeschehen zurückzuführen. Unter Zugrundelegung
einer Sterblichkeitsrate von 5 % bedeutet dies jährlich 6 Todesfälle im Zusammenhang
mit Ausbruchsgeschehen.
Das Umweltbundesamt beziffert die mit einer Legionelleninfektion verbundenen
Kosten auf ca. 120 Tausend Euro je Erkrankungsfall. Die Verordnung trägt durch
die Vermeidung von Infektionen mit Legionellen aus den erfassten Anlagen somit
dazu bei, dass jährlich 13,2 Millionen Euro Gesundheitskosten eingespart werden
können.
§ 1 Anwendungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb folgender
Anlagen, in denen Wasser verrieselt oder versprüht wird oder anderweitig in Kontakt mit der
Atmosphäre kommen kann:
1. Verdunstungskühlanlagen,
2. Kühltürme und
3. Nassabscheider.
(2) Diese Verordnung gilt nicht für
1. Verdunstungskühlanlagen, bei denen Kondenswasserbildung durch Taupunktunterschreitung
möglich ist, insbesondere Anlagen mit Kaltwassersätzen,
2. Wärmeübertrager, in denen
a) das die Prozesswärme aufnehmende Fluid ausschließlich in einem geschlossenen
Kreislauf geführt wird und
b) die Prozesswärme ausschließlich direkt über Luftwärmeübertragung an die zur Kühlung
herangeführte Luft übertragen wird,
3. Befeuchtungseinrichtungen in Raumlufttechnischen Anlagen, die integrierter Bestandteil
der luftführenden Bereiche dieser Anlagen sind und die bei Bedarf auch zur adiabaten
Kühlung eingesetzt werden,
4. Anlagen, in denen das Nutzwasser und die Verrieselungsflächen eine dauerhaft konstante
Temperatur von 60 Grad Celsius oder mehr haben,
5. Nassabscheider, in denen das Nutzwasser dauerhaft einen pH-Wert von 4 oder weniger
oder einen pH-Wert von 10 oder mehr hat,
6. Nassabscheider, bei denen das Abgas nach Verlassen des Abscheiders für mindestens
10 Sekunden auf mindestens 72 Grad Celsius erhitzt wird, wodurch sichergestellt ist,
dass trockenes Abgas abgeleitet wird, und
7. Anlagen, in denen das Nutzwasser dauerhaft eine Salzkonzentration von mehr als 100
Gramm Halogenide je Liter hat.
Der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, dazu gehören auch Verdunstungskühlanlagen,
Kühltürme und Nassabscheider, hat nach § 22 BImSchG so zu
erfolgen, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen
zu verhindern sind und nach dem Stand der Technik unvermeidbare
schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Für Nassabscheider
und Verdunstungskühlanlagen liegen mit den VDI-Richtlinien 3679
Blatt 1 (Juli 2014) und 2047 Blatt 2 (Januar 2015) technische Regelwerke vor, die
den Stand der Technik für einen hygienisch einwandfreien Betrieb dieser Anlagen
beschreiben. Dazu gehören die Einhaltung bestimmter baulicher, organisatorischer
und betrieblicher Voraussetzungen sowie regelmäßige betriebsinterne Überprü-
fungen und Kontrollen des hygienischen Zustands der Anlagen durch externe mikrobiologische
Untersuchungen des Kühl- und Waschwassers. Soweit die vorliegende
Verordnung die in den genannten technischen Regelwerken zum Stand der Technik beschriebenen Anforderungen lediglich kodifiziert, wird für diese Anlagen
kein Erfüllungsaufwand verursacht.
Dies gilt gleichermaßen für die von der Verordnung erfassten ca. 160 Kühltürme
mit mehr als 200 MW Kühlleistung je Luftaustritt. Zwar befindet sich die den Stand
der Technik beschreibende einschlägige VDI-Richtlinie 2047 Blatt 3 derzeit erst in
der Vorbereitung zum Gründruck, jedoch sind diese Anlagen stets Anlagenteil oder
Nebeneinrichtung einer genehmigungsbedürftigen Anlage und werden von der
Genehmigung derselben erfasst. Die darin gestellten Anforderungen für einen hygienisch
einwandfreien Betrieb entsprechen mindestens denen der in Vorbereitung
befindlichen VDI-Richtlinie 2047 Blatt 3; zusätzlich werden verordnungsadäquate
Anzeige-, Berichts- und Überwachungspflichten in der Genehmigung festgelegt.
Für diese Anlagen fällt kein verordnungsbedingter Erfüllungsaufwand an.
Neben Kühltürmen werden auch Verdunstungskühlanlagen und Nassabscheider
als Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen von genehmigungsbedürftigen Anlagen
betrieben und sind dann ebenfalls von der Genehmigung derselben erfasst. Ausgehend
von dem erwarteten Bedarf zum Betrieb von Verdunstungskühlanlagen
und Nassabscheidern in den verschiedenen Wirtschaftszweigen, wird angenommen,
dass ca. ein Viertel der Anlagen von Genehmigungen erfasst wird und diesen
bereits verordnungsadäquate Anzeige-, Berichts- und Überwachungspflichten
auferlegt sind. Für die verbleibenden 30.000 Anlagen wird der für die Wirtschaft
und die Verwaltung fällige Erfüllungsaufwand aus Anzeige-, Berichts- und Überwachungspflichten
dargestellt.
In Deutschland erleiden jährlich zwischen 15.000 und 30.000 Personen ambulant eine
Infektion mit Legionellen, d.h. außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen
und nicht in Verbindung mit Reisetätigkeit; dies entspricht rund vier Fünfteln aller
Infektionen mit Legionellen. Die Sterblichkeitsrate wird mit 8,3 % angegeben, mithin
jährlich 1.245 bis 2.490 Todesfälle.
Für das Jahr 2013 weist die seit Einführung der Meldepflicht für Legionelleninfektionen
bei Robert-Koch-Institut (RKI) geführte Datenbank 922 gemeldete Infektionen mit 48
Todesfällen aus. Dies entspricht einer Erfassungsrate von 3 bis 6 % der ambulant erworbenen
Infektionen; d.h. die Dunkelziffer liegt beim Faktor 16 bis 32.
Die RKI-Datenbank ermöglicht eine Zuordnung von Infektionen und Infektionsquellen.
Nach Auswertungen des Umweltbundesamtes sind von den gemeldeten Infektionen
jährlich 27,5 Infektionen auf Ausbruchsgeschehen aus Anlagen nach der 42. BImSchV
zurückzuführen.
Ausgehend von der Dunkelziffer bei der Erfassung insgesamt und unter Berücksichtigung
einer erhöhten Sensibilisierung zur Erkennung von Legionelleninfektionen durch
das mit Ausbruchsgeschehen einhergehende Medieninteresse, kann erwartet werden,
dass in diesen Fällen die Dunkelziffer deutlich abnimmt. Bei konservativer Abschätzung
einer Dunkelziffer von 4, verbleiben jährlich mindestens 110 Infektionen mit Legionellen
durch Ausbruchsgeschehen. Unter Zugrundelegung einer Sterblichkeitsrate
von 5 % bedeutet dies jährlich 6 Todesfälle im Zusammenhang mit Ausbruchsgeschehen.
Die Verordnung legt Mindestanforderungen fest, die sich an erprobten technischen Regelwerken
orientieren, u.a. an der Richtlinienreihe VDI 2047 für Verdunstungskühlanlagen
und Kühltürme sowie der Richtlinienreihe VDI 3679 für Nassabscheider. Die Einhaltung der
Anforderungen ist für Neuanlagen zwingend, da diese im Rahmen der Auslegung und Errichtung
in vollem Umfang berücksichtigt werden können; aus der Vorschrift ergibt sich insbesondere
kein Anpassungsbedarf für bestehende Anlagen.
Durch die Vorgaben der Verordnung sollen Verdunstungskühlanlagen mit möglichst geringem
hygienischen Risiko betrieben werden. Dazu ist es erforderlich, im Rahmen der Risikoanalyse
mögliche Gefährdungen, u.a. im Hinblick auf die hygienische Sicherheit, die Prozesssicherheit
und die Anlagensicherheit, zu identifizieren und das Risiko hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit
und potentiellem Schadensausmaß abzuschätzen. Zentrales Element
der Risikoanalyse ist die Identifizierung hygienisch kritischer Stellen und Betriebszustände.
Hierzu bedarf es u.a. der Dokumentation der technischen Daten der Anlage, Vorgaben für
den hygienisch einwandfreien Betrieb der Anlage bis hin zur Beschreibung von Standardreaktionen
auf Abweichungen vom hygienisch unbedenklichen Betrieb. Die anlagenbezogene
Gefährdungsbeurteilung ermöglicht das Ergreifen sachgerechter Maßnahme für einen ordnungsgemäßen
Betrieb, für technische Maßnahmen bei Überschreitung von Prüfwerten oder
zusätzliche Gefahrenabwehrmaßnahmen bei Überschreitung von Maßnahmenwerten.
Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Betrieb ist die Kenntnis des mikrobiologischen
Zustands der Anlagen durch regelmäßige interne und externe Überprüfungen. Es
werden die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs einzuhaltenden Untersuchungsintervalle
festgelegt. Der ordnungsgemäße Betrieb ist insbesondere gegeben, wenn
sich die hygienische Beschaffenheit des Nutzwassers als stabil erweist und keine Überschreitung
eines der Prüfwerte zu erwarten ist. Geeignete Methoden und zielführende Parameter
für die vom Betreiber durchzuführenden Untersuchungen sind einschlägigen technischen
Regelwerken, u.a. der VDI 2047 oder der VDI 3679, zu entnehmen. Mit den regelmä-
ßig durchzuführenden Laboruntersuchungen zur Bestimmung der allgemeinen Koloniezahl
durch ein für diesen Parameter akkreditiertes Prüflaboratorium wird die Kontrolle der Einhaltung
des Referenzwertes ermöglicht.
© Marc Husmann Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.