Freitag, 24. März 2017

BundesImmissionsschutzgesetzes 42. BImSchV

Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider können unter bestimmten Bedingungen legionellenhaltige Wassertröpfchen (Aerosole) emittieren, die beim Einatmen bei Menschen zu schweren Lungenentzündungen sogar mit Todesfolge führen können. Legionellen sind natürlich vorkommende Wasserbakterien, die aus der Umwelt in geringen Konzentrationen in technische Wassersysteme gelangen. Unter für sie günstigen Bedingungen können sie sich in diesen Systemen stark vermehren. Legionellen stellen ein gesundheitliches Risiko dar, da sie beim Einatmen der Aerosole durch den Menschen und in seltenen Fällen durch Aspiration, d.h. durch „Verschlucken“ von Wasser in die Lunge, zu schweren Lungenentzündungen führen können. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch findet nicht statt. Bundesweit sind zehn Tote sicher auf Infektionen mit Legionellen aus Verdunstungskühlanlagen zurückzuführen.

Zur Vorbeugung des Austrags von Legionellen, die von den o.g. Anlagen in die Atmosphäre emittiert werden können, sind Vorgaben für die Anlagen und ihren Betrieb erforderlich. Das BImSchG bietet hierfür eine geeignete und sachgerechte Grundlage. Deshalb sollten bundeseinheitliche rechtliche Regelungen auf dieser Grundlage geschaffen werden. Dies kann auf Basis der im BImSchG vorhandenen Ermächtigungsgrundlage des § 23 Absatz 1 Satz 1 BImSchG durch eine Verordnung über Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider geschehen.

Bei konservativer Abschätzung sind jährlich mindestens 110 Infektionen mit Legionellen auf Ausbruchsgeschehen zurückzuführen. Unter Zugrundelegung einer Sterblichkeitsrate von 5 % bedeutet dies jährlich 6 Todesfälle im Zusammenhang mit Ausbruchsgeschehen. Das Umweltbundesamt beziffert die mit einer Legionelleninfektion verbundenen Kosten auf ca. 120 Tausend Euro je Erkrankungsfall. Die Verordnung trägt durch die Vermeidung von Infektionen mit Legionellen aus den erfassten Anlagen somit dazu bei, dass jährlich 13,2 Millionen Euro Gesundheitskosten eingespart werden können.

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für die Errichtung, die Beschaffenheit und den Betrieb folgender Anlagen, in denen Wasser verrieselt oder versprüht wird oder anderweitig in Kontakt mit der Atmosphäre kommen kann: 1. Verdunstungskühlanlagen, 2. Kühltürme und 3. Nassabscheider.

 (2) Diese Verordnung gilt nicht für 1. Verdunstungskühlanlagen, bei denen Kondenswasserbildung durch Taupunktunterschreitung möglich ist, insbesondere Anlagen mit Kaltwassersätzen,

2. Wärmeübertrager, in denen a) das die Prozesswärme aufnehmende Fluid ausschließlich in einem geschlossenen Kreislauf geführt wird und b) die Prozesswärme ausschließlich direkt über Luftwärmeübertragung an die zur Kühlung herangeführte Luft übertragen wird,

3. Befeuchtungseinrichtungen in Raumlufttechnischen Anlagen, die integrierter Bestandteil der luftführenden Bereiche dieser Anlagen sind und die bei Bedarf auch zur adiabaten Kühlung eingesetzt werden,

4. Anlagen, in denen das Nutzwasser und die Verrieselungsflächen eine dauerhaft konstante Temperatur von 60 Grad Celsius oder mehr haben,

5. Nassabscheider, in denen das Nutzwasser dauerhaft einen pH-Wert von 4 oder weniger oder einen pH-Wert von 10 oder mehr hat,

6. Nassabscheider, bei denen das Abgas nach Verlassen des Abscheiders für mindestens 10 Sekunden auf mindestens 72 Grad Celsius erhitzt wird, wodurch sichergestellt ist, dass trockenes Abgas abgeleitet wird, und

7. Anlagen, in denen das Nutzwasser dauerhaft eine Salzkonzentration von mehr als 100 Gramm Halogenide je Liter hat.

Der Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen, dazu gehören auch Verdunstungskühlanlagen, Kühltürme und Nassabscheider, hat nach § 22 BImSchG so zu erfolgen, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern sind und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Für Nassabscheider und Verdunstungskühlanlagen liegen mit den VDI-Richtlinien 3679 Blatt 1 (Juli 2014) und 2047 Blatt 2 (Januar 2015) technische Regelwerke vor, die den Stand der Technik für einen hygienisch einwandfreien Betrieb dieser Anlagen beschreiben. Dazu gehören die Einhaltung bestimmter baulicher, organisatorischer und betrieblicher Voraussetzungen sowie regelmäßige betriebsinterne Überprü- fungen und Kontrollen des hygienischen Zustands der Anlagen durch externe mikrobiologische Untersuchungen des Kühl- und Waschwassers. Soweit die vorliegende Verordnung die in den genannten technischen Regelwerken zum Stand der Technik beschriebenen Anforderungen lediglich kodifiziert, wird für diese Anlagen kein Erfüllungsaufwand verursacht.

Dies gilt gleichermaßen für die von der Verordnung erfassten ca. 160 Kühltürme mit mehr als 200 MW Kühlleistung je Luftaustritt. Zwar befindet sich die den Stand der Technik beschreibende einschlägige VDI-Richtlinie 2047 Blatt 3 derzeit erst in der Vorbereitung zum Gründruck, jedoch sind diese Anlagen stets Anlagenteil oder Nebeneinrichtung einer genehmigungsbedürftigen Anlage und werden von der Genehmigung derselben erfasst. Die darin gestellten Anforderungen für einen hygienisch einwandfreien Betrieb entsprechen mindestens denen der in Vorbereitung befindlichen VDI-Richtlinie 2047 Blatt 3; zusätzlich werden verordnungsadäquate Anzeige-, Berichts- und Überwachungspflichten in der Genehmigung festgelegt. Für diese Anlagen fällt kein verordnungsbedingter Erfüllungsaufwand an. Neben Kühltürmen werden auch Verdunstungskühlanlagen und Nassabscheider als Anlagenteile oder Nebeneinrichtungen von genehmigungsbedürftigen Anlagen betrieben und sind dann ebenfalls von der Genehmigung derselben erfasst. Ausgehend von dem erwarteten Bedarf zum Betrieb von Verdunstungskühlanlagen und Nassabscheidern in den verschiedenen Wirtschaftszweigen, wird angenommen, dass ca. ein Viertel der Anlagen von Genehmigungen erfasst wird und diesen bereits verordnungsadäquate Anzeige-, Berichts- und Überwachungspflichten auferlegt sind. Für die verbleibenden 30.000 Anlagen wird der für die Wirtschaft und die Verwaltung fällige Erfüllungsaufwand aus Anzeige-, Berichts- und Überwachungspflichten dargestellt.

In Deutschland erleiden jährlich zwischen 15.000 und 30.000 Personen ambulant eine Infektion mit Legionellen, d.h. außerhalb von Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen und nicht in Verbindung mit Reisetätigkeit; dies entspricht rund vier Fünfteln aller Infektionen mit Legionellen. Die Sterblichkeitsrate wird mit 8,3 % angegeben, mithin jährlich 1.245 bis 2.490 Todesfälle. Für das Jahr 2013 weist die seit Einführung der Meldepflicht für Legionelleninfektionen bei Robert-Koch-Institut (RKI) geführte Datenbank 922 gemeldete Infektionen mit 48 Todesfällen aus. Dies entspricht einer Erfassungsrate von 3 bis 6 % der ambulant erworbenen Infektionen; d.h. die Dunkelziffer liegt beim Faktor 16 bis 32. Die RKI-Datenbank ermöglicht eine Zuordnung von Infektionen und Infektionsquellen. Nach Auswertungen des Umweltbundesamtes sind von den gemeldeten Infektionen jährlich 27,5 Infektionen auf Ausbruchsgeschehen aus Anlagen nach der 42. BImSchV zurückzuführen. Ausgehend von der Dunkelziffer bei der Erfassung insgesamt und unter Berücksichtigung einer erhöhten Sensibilisierung zur Erkennung von Legionelleninfektionen durch das mit Ausbruchsgeschehen einhergehende Medieninteresse, kann erwartet werden, dass in diesen Fällen die Dunkelziffer deutlich abnimmt. Bei konservativer Abschätzung einer Dunkelziffer von 4, verbleiben jährlich mindestens 110 Infektionen mit Legionellen durch Ausbruchsgeschehen. Unter Zugrundelegung einer Sterblichkeitsrate von 5 % bedeutet dies jährlich 6 Todesfälle im Zusammenhang mit Ausbruchsgeschehen.

Die Verordnung legt Mindestanforderungen fest, die sich an erprobten technischen Regelwerken orientieren, u.a. an der Richtlinienreihe VDI 2047 für Verdunstungskühlanlagen und Kühltürme sowie der Richtlinienreihe VDI 3679 für Nassabscheider. Die Einhaltung der Anforderungen ist für Neuanlagen zwingend, da diese im Rahmen der Auslegung und Errichtung in vollem Umfang berücksichtigt werden können; aus der Vorschrift ergibt sich insbesondere kein Anpassungsbedarf für bestehende Anlagen.

 Durch die Vorgaben der Verordnung sollen Verdunstungskühlanlagen mit möglichst geringem hygienischen Risiko betrieben werden. Dazu ist es erforderlich, im Rahmen der Risikoanalyse mögliche Gefährdungen, u.a. im Hinblick auf die hygienische Sicherheit, die Prozesssicherheit und die Anlagensicherheit, zu identifizieren und das Risiko hinsichtlich Eintrittswahrscheinlichkeit und potentiellem Schadensausmaß abzuschätzen. Zentrales Element der Risikoanalyse ist die Identifizierung hygienisch kritischer Stellen und Betriebszustände. Hierzu bedarf es u.a. der Dokumentation der technischen Daten der Anlage, Vorgaben für den hygienisch einwandfreien Betrieb der Anlage bis hin zur Beschreibung von Standardreaktionen auf Abweichungen vom hygienisch unbedenklichen Betrieb. Die anlagenbezogene Gefährdungsbeurteilung ermöglicht das Ergreifen sachgerechter Maßnahme für einen ordnungsgemäßen Betrieb, für technische Maßnahmen bei Überschreitung von Prüfwerten oder zusätzliche Gefahrenabwehrmaßnahmen bei Überschreitung von Maßnahmenwerten.

 Voraussetzung für einen ordnungsgemäßen Betrieb ist die Kenntnis des mikrobiologischen Zustands der Anlagen durch regelmäßige interne und externe Überprüfungen. Es werden die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs einzuhaltenden Untersuchungsintervalle festgelegt. Der ordnungsgemäße Betrieb ist insbesondere gegeben, wenn sich die hygienische Beschaffenheit des Nutzwassers als stabil erweist und keine Überschreitung eines der Prüfwerte zu erwarten ist. Geeignete Methoden und zielführende Parameter für die vom Betreiber durchzuführenden Untersuchungen sind einschlägigen technischen Regelwerken, u.a. der VDI 2047 oder der VDI 3679, zu entnehmen. Mit den regelmä- ßig durchzuführenden Laboruntersuchungen zur Bestimmung der allgemeinen Koloniezahl durch ein für diesen Parameter akkreditiertes Prüflaboratorium wird die Kontrolle der Einhaltung des Referenzwertes ermöglicht.

 ©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.