Das
Werkvertragsrecht des BGB gibt dem Besteller das Recht, bis zur
Fertigstellung des Werks den Vertrag jederzeit zu kündigen (§ 649,
künftig § 648 BGB-E). Dieses freie Kündigungsrecht soll
unverändert erhalten bleiben. Darüber hinaus besteht jedoch
Regelungsbedarf hinsichtlich eines Kündigungsrechts aus wichtigem
Grund.
Von
der Rechtsprechung wird für den – im Gegensatz zum einfachen
Werkvertrag – in der Regel auf eine längere Erfüllungszeit
angelegten Bauvertrag vielfach bisher schon ein Kündigungsrecht aus
wichtigem Grund anerkannt und dabei das Kündigungsrecht aus
wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen (§ 314) als Vorbild
herangezogen. Dies wird damit begründet, dass dieser auf eine
längere vertrauensvolle Zusammenarbeit der Vertragsparteien
ausgelegt und angewiesen ist, weshalb unter bestimmten Umständen
eine Fortsetzung des Vertrags nicht
mehr
zumutbar sein kann. Die VOB/B eröffnet den Vertragspartnern in den
§§ 8 und 9 ebenfalls die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis aus
wichtigem Grund zu beenden und hat hierzu eine Reihe von
Kündigungstatbeständen normiert, die den Vertragspartnern bei ihrer
Entscheidung, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können,
Orientierung geben. Beim BGB-Vertrag besteht dagegen in der Praxis
Rechtsunsicherheit, welche Gründe eine außerordentliche Kündigung
tragen, da dieses Kündigungsrecht auf Richterrecht basiert. Das
Gesetz sieht
daher
vor, die außerordentliche Kündigung bei Werkverträgen gesetzlich
zu regeln, um für die Praxis mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
Absatz
1 legt fest, dass beide Vertragsparteien das Recht haben, einen
Werkvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist zu
kündigen. Ein wichtiger Grund liegt nach Satz 2 vor, wenn dem
kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die
Fortsetzung des Vertrags bis zur Fertigstellung des Werks nicht
zugemutet werden kann.
Von
einer Normierung einzelner Kündigungstatbestände wie in § 8 VOB/B
wurde abgesehen, da auf diese Weise nicht alle denkbaren
Konstellationen erfasst werden könnten. Durch die stattdessen
gewählte – sich an § 314
orientierende
– allgemeine Formulierung zum Kündigungsgrund können neben den
typischen Kündigungsgründen auch besondere Einzelfälle
berücksichtigt werden, auch wenn diese Formulierung nicht sofort zu
der erwünschten Rechtssicherheit für die Parteien führt. Die
Anknüpfung an den Wortlaut von § 314, zu dem eine
umfassende
Rechtsprechung besteht, wird den Vertragspartnern jedoch auch vor
einer detaillierten Rechtsprechung zu der neuen Vorschrift einen
Zuwachs an Sicherheit geben, ob im Einzelfall ein die
außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund gegeben ist.
Das
Gesetz sieht auch keinen speziellen Kündigungstatbestand für den
Fall der Insolvenz des Unternehmers vor, obwohl dies in der Praxis
häufig einen wichtigen Grund zur Beendigung des Werkvertrags
darstellen wird. Der Gesetzentwurf hat jedoch davon abgesehen, dem
Besteller für diesen Fall ein generelles Kündigungsrecht
einzuräumen, da ein solcher Ansatz nicht der Vielgestaltigkeit der
Lebensverhältnisse Rechnung tragen würde. Die Leistungsfähigkeit
und Zuverlässigkeit des Unternehmers gehören beim Abschluss eines
Bauvertrags regelmäßig zu den Gesichtspunkten, die für den
Besteller von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. Urteil des BGH vom
26. September 1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34). Durch die
Insolvenz erweist sich der Unternehmer gerade als nicht
leistungsfähig
und zuverlässig. Zudem birgt eine Fortführung des
Vertragsverhältnisses trotz Insolvenz des Unternehmers für den
Besteller hohe Risiken. Die Insolvenz führt häufig zu einer
Unterbrechung der Bautätigkeiten
und
infolgedessen zu einer verspäteten Fertigstellung des Bauwerks. Dies
wiederum verursacht regelmäßig Verdienstausfälle
und andere Folgeschäden.
Bestehen gute Sanierungschancen für das
angeschlagene Unternehmen,
wird
der Insolvenzverwalter regelmäßig bestrebt sein, diese Risiken
gering zu halten und den Bestellern und damit auch dem gesamten
Geschäftsverkehr zu signalisieren, dass er möglichst störungsfrei
die Geschäftstätigkeit weiter aufrechterhalten will. So hat er die
Chance, die Bauvorhaben abzuschließen und die gesamte Vergütung für
diese Vorhaben für die Masse zu vereinnahmen. Im Rahmen der Prüfung,
ob die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Besteller
zumutbar ist, wird daher insbesondere zu berücksichtigen sein, ob
der Verwalter zeitnah erklärt,
die
Bauleistungen ohne wesentliche Unterbrechungen fortzuführen und
durch geeignete Unterlagen, etwa ein Sanierungsgutachten,
dokumentiert wird, dass er hierzu auch in der Lage ist. Will der
Unternehmer eine Sanierung
in
einem sogenannten „Schutzschirmverfahren“ nach § 270b der
Insolvenzordnung erreichen, so kann als erste Orientierung bereits
die dort geforderte Bescheinigung dienen, aus der sich ergeben muss,
dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.
Unzumutbar ist die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Besteller
dagegen, wenn der Unternehmer seinen Geschäftsbetrieb bereits
eingestellt hat und seine Arbeiter nicht mehr
auf der Baustelle erscheinen. Diese wenigen Beispiele machen
deutlich, dass der hier gewählte Ansatz einer Abwägung im
Einzelfall sowohl den Interessen der Unternehmer an einer Sanierung
im Insolvenzverfahren als auch denen der Besteller an einem möglichst
reibungslosen Abwicklung des Bauvorhabens Rechnung tragen kann.
Ein
außerordentliches Kündigungsrecht wird in der Praxis bisher
insbesondere für Bauverträge anerkannt. Aufgrund einer
vergleichbaren Interessenlage kann aber auch bei anderen
Werkverträgen ein Bedürfnis für ein Recht zur
außerordentlichen Kündigung bestehen. Dies dürfte insbesondere
dann der Fall sein, wenn der Werkvertrag auf
eine längerfristige Zusammenarbeit angelegt ist.
Beispiele hierfür
sind etwa Architektenverträge, Verträge über
Planung und Einrichtung größerer EDV-Anlagen oder die Erstellung
eines Computerprogrammes nach den besonderen
Anforderungen des Bestellers. Das außerordentliche Kündigungsrecht
wird daher nicht in das Kapitel
2 „Bauvertrag“, sondern in das
Kapitel 1 „Allgemeine
Vorschriften“ eingestellt.
Von
einer Beschränkung des Kündigungsrechts auf Werkverträge, die auf
eine längere Dauer der Zusammenarbeit angelegt
sind, wurde abgesehen, um die Begründetheit der Kündigung nicht von
einem weiteren unbestimmten
Rechtsbegriff
abhängig zu machen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei
„kleineren“, schneller abzuwickelnden
Werkverträgen häufig die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des
Vertrags bis zur Fertigstellung des Werks
nicht
gegeben sein wird und diese schon deshalb nicht in den
Anwendungsbereich des Kündigungsrechts aus wichtigem
Grund fallen.
Absatz
2 ermöglicht eine Teilkündigung des Werkvertrags. Angesichts des
Umfangs der in einem Werkvertrag bisweilen
vereinbarten Werkleistungen und der in einem solchen Vertrag oftmals
gebündelten unterschiedlichen Leistungen
ist es sinnvoll, den Parteien die Möglichkeit zur Teilkündigung zu
eröffnen. Die Teilkündigung muss
sich
dabei auf einen „abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks“
beziehen. Das Abgrenzungskriterium unterscheidet
sich von dem Abgrenzungskriterium der Teilkündigung in § 8 Absatz 3
VOB/B. Der dort verwendete Begriff
des „in sich abgeschlossenen Teils der Leistung“ stellt eine
unnötig hohe Hürde für die Vertragspartner dar.
Entscheidend ist, dass die Vertragspartner eine klare Abgrenzung der
von der Teilkündigung erfassten und der
danach noch von einem anderen Werkunternehmer zu erbringenden
Leistungen vornehmen können und der
von
der Kündigung betroffene Unternehmer in der Lage ist, die von ihm
noch geschuldeten Leistungen ohne Beeinträchtigung
zu erbringen. Das Kriterium „abgrenzbarer Teil des geschuldeten
Werks“ ist hierfür ausreichend.
Nach
Absatz 3 ist bei einer Kündigung nach Absatz 1 und Absatz 2 § 314
Absatz 2 und 3 entsprechend anzuwenden.
§ 314 Absatz 2 enthält Regelungen dazu, wann vor einer Kündigung
aus wichtigem Grund eine Fristsetzung zur
Abhilfe erforderlich und wann diese entbehrlich ist.
Aus
der Verweisung auf § 314 Absatz 3 ergibt sich, dass eine
außerordentliche Kündigung eines Werkvertrags nur
innerhalb einer angemessen Frist erfolgen kann, nachdem der
Berechtigte vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt
hat.
Absatz
4 Satz 1 sieht vor, dass beide Vertragsparteien nach der Kündigung
eines Werkvertrags zu einer gemeinsamen
Feststellung des Leistungsstandes verpflichtet sind, wenn eine
Vertragspartei dies verlangt. Die Feststellung
des Leistungsstandes dient – allein – der quantitativen Bewertung
der bis zur Kündigung erbrachten Leistung und
soll späterem Streit über den Umfang der erbrachten Leistungen
vorbeugen. Sie hat keine der Abnahme vergleichbaren
Rechtsfolgen. Lehnt eine der Vertragsparteien die Mitwirkung an der
Feststellung des Leistungsstandes
ab oder bleibt sie einem vereinbarten oder innerhalb angemessener
Frist bestimmten Termin zur Feststellung des
Leistungsstandes fern, trifft sie nach Satz 2 die Beweislast
hinsichtlich des Leistungsstandes zum Zeitpunkt der
Kündigung.
Dies gilt nicht, wenn die betreffende Vertragspartei
aufgrund eines Umstandes fernbleibt, den sie nicht
zu vertreten und der anderen Vertragspartei unverzüglich mitzuteilen
hat.
Mit
dieser Rechtsfolge wird ein angemessener Anreiz geschaffen, um das
notwendige Zusammenwirken der Vertragsparteien
auch nach einer Kündigung zu fördern. Die Regelung orientiert sich
im Übrigen an § 8 Absatz 6 VOB/B,
der die Vertragspartner nach einer Kündigung zu einem gemeinsamen
Aufmaß verpflichtet, und an der
Rechtsprechung
des BGH hierzu (Urteil vom 22. Mai 2003, VII ZR 143/02, BauR 2003,
1207).
Durch die Regelung,
dass die fernbleibende Partei die Gründe für ihr Fernbleiben der
anderen Vertragspartei unverzüglich mitzuteilen
hat, wird zum einen erreicht, dass sich die Parteien über den Termin
zur Leistungsstandfeststellung verständigen.
Zum anderen kann so vermieden werden, dass die Frage des
Nichtvertretenmüssens des Fernbleibens erst
Jahre später in einem Folgeprozess geklärt werden kann.
Absatz
5 regelt die Folgen einer Kündigung für die vereinbarte Vergütung.
Danach hat der Unternehmer – anders als
bei einer freien Kündigung nach § 648 BGB-E (bisher § 649) – im
Fall einer Kündigung aus einem wichtigen Grund
nur Anspruch auf die Vergütung, die auf das bis zur Kündigung
erbrachte Teilwerk entfällt. Bei der Kündigung
aus wichtigem Grund wäre ein an der vereinbarten Vergütung
ausgerichteter Anspruch, wie ihn § 648 BGB-E
(bisher § 649) vorsieht, nicht angemessen. Bisher schon geht die
Rechtsprechung bei der Kündigung des
Bestellers
aus wichtigem Grund davon aus, dass der Vertrag nach allgemeinen
Grundsätzen abzuwickeln ist und damit
nur die bereits erbrachten Leistungen zu vergüten sind. Absatz 5
sieht diese Rechtsfolge nun für jede Kündigung
nach Absatz 1 vor. Da der einer Kündigung zugrunde liegende wichtige
Grund nicht ausschließlich aus der
Sphäre eines der Vertragspartner kommen muss, ist dies auch für die
Kündigung durch den Unternehmer gerechtfertigt.
Durch
Absatz 6 wird klargestellt, dass die außerordentliche Kündigung die
Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen,
nicht berührt. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann etwa
bestehen, wenn der wichtige Grund, der
Anlass
für die Kündigung war, von einer Partei schuldhaft herbeigeführt
worden ist.
Es
handelt sich um eine Folgeänderung zu den Nummern 16, 22, 23 und 25.
Die das allgemeine Werkvertragsrecht betreffenden
Vorschriften der §§ 649 bis 651 werden im neuen Kapitel 1 –
Allgemeine Vorschriften – zusammengefasst.
Infolgedessen
ist eine weitere Folgeänderung im Rahmen der Vorschrift des
bisherigen § 651 (künftig § 650 BGB-E)
erforderlich.
© Marc Husmann Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.