Samstag, 18. März 2017

Werkvertragsrecht - Kündigungsrecht

Das Werkvertragsrecht des BGB gibt dem Besteller das Recht, bis zur Fertigstellung des Werks den Vertrag jederzeit zu kündigen (§ 649, künftig § 648 BGB-E). Dieses freie Kündigungsrecht soll unverändert erhalten bleiben. Darüber hinaus besteht jedoch Regelungsbedarf hinsichtlich eines Kündigungsrechts aus wichtigem Grund.

Von der Rechtsprechung wird für den – im Gegensatz zum einfachen Werkvertrag – in der Regel auf eine längere Erfüllungszeit angelegten Bauvertrag vielfach bisher schon ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund anerkannt und dabei das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund bei Dauerschuldverhältnissen (§ 314) als Vorbild herangezogen. Dies wird damit begründet, dass dieser auf eine längere vertrauensvolle Zusammenarbeit der Vertragsparteien ausgelegt und angewiesen ist, weshalb unter bestimmten Umständen eine Fortsetzung des Vertrags nicht
mehr zumutbar sein kann. Die VOB/B eröffnet den Vertragspartnern in den §§ 8 und 9 ebenfalls die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund zu beenden und hat hierzu eine Reihe von Kündigungstatbeständen normiert, die den Vertragspartnern bei ihrer Entscheidung, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen können, Orientierung geben. Beim BGB-Vertrag besteht dagegen in der Praxis Rechtsunsicherheit, welche Gründe eine außerordentliche Kündigung tragen, da dieses Kündigungsrecht auf Richterrecht basiert. Das Gesetz sieht
daher vor, die außerordentliche Kündigung bei Werkverträgen gesetzlich zu regeln, um für die Praxis mehr Rechtssicherheit zu schaffen.

Absatz 1 legt fest, dass beide Vertragsparteien das Recht haben, einen Werkvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist zu kündigen. Ein wichtiger Grund liegt nach Satz 2 vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertrags bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann.
Von einer Normierung einzelner Kündigungstatbestände wie in § 8 VOB/B wurde abgesehen, da auf diese Weise nicht alle denkbaren Konstellationen erfasst werden könnten. Durch die stattdessen gewählte – sich an § 314
orientierende – allgemeine Formulierung zum Kündigungsgrund können neben den typischen Kündigungsgründen auch besondere Einzelfälle berücksichtigt werden, auch wenn diese Formulierung nicht sofort zu der erwünschten Rechtssicherheit für die Parteien führt. Die Anknüpfung an den Wortlaut von § 314, zu dem eine
umfassende Rechtsprechung besteht, wird den Vertragspartnern jedoch auch vor einer detaillierten Rechtsprechung zu der neuen Vorschrift einen Zuwachs an Sicherheit geben, ob im Einzelfall ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund gegeben ist.

Das Gesetz sieht auch keinen speziellen Kündigungstatbestand für den Fall der Insolvenz des Unternehmers vor, obwohl dies in der Praxis häufig einen wichtigen Grund zur Beendigung des Werkvertrags darstellen wird. Der Gesetzentwurf hat jedoch davon abgesehen, dem Besteller für diesen Fall ein generelles Kündigungsrecht einzuräumen, da ein solcher Ansatz nicht der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse Rechnung tragen würde. Die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Unternehmers gehören beim Abschluss eines Bauvertrags regelmäßig zu den Gesichtspunkten, die für den Besteller von wesentlicher Bedeutung sind (vgl. Urteil des BGH vom 26. September 1985 – VII ZR 19/85, BGHZ 96, 34). Durch die Insolvenz erweist sich der Unternehmer gerade als nicht
leistungsfähig und zuverlässig. Zudem birgt eine Fortführung des Vertragsverhältnisses trotz Insolvenz des Unternehmers für den Besteller hohe Risiken. Die Insolvenz führt häufig zu einer Unterbrechung der Bautätigkeiten
und infolgedessen zu einer verspäteten Fertigstellung des Bauwerks. Dies wiederum verursacht regelmäßig Verdienstausfälle und andere Folgeschäden. 

Bestehen gute Sanierungschancen für das angeschlagene Unternehmen,
wird der Insolvenzverwalter regelmäßig bestrebt sein, diese Risiken gering zu halten und den Bestellern und damit auch dem gesamten Geschäftsverkehr zu signalisieren, dass er möglichst störungsfrei die Geschäftstätigkeit weiter aufrechterhalten will. So hat er die Chance, die Bauvorhaben abzuschließen und die gesamte Vergütung für diese Vorhaben für die Masse zu vereinnahmen. Im Rahmen der Prüfung, ob die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Besteller zumutbar ist, wird daher insbesondere zu berücksichtigen sein, ob der Verwalter zeitnah erklärt,
die Bauleistungen ohne wesentliche Unterbrechungen fortzuführen und durch geeignete Unterlagen, etwa ein Sanierungsgutachten, dokumentiert wird, dass er hierzu auch in der Lage ist. Will der Unternehmer eine Sanierung
in einem sogenannten „Schutzschirmverfahren“ nach § 270b der Insolvenzordnung erreichen, so kann als erste Orientierung bereits die dort geforderte Bescheinigung dienen, aus der sich ergeben muss, dass die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. 

Unzumutbar ist die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für den Besteller dagegen, wenn der Unternehmer seinen Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hat und seine Arbeiter nicht mehr auf der Baustelle erscheinen. Diese wenigen Beispiele machen deutlich, dass der hier gewählte Ansatz einer Abwägung im Einzelfall sowohl den Interessen der Unternehmer an einer Sanierung im Insolvenzverfahren als auch denen der Besteller an einem möglichst reibungslosen Abwicklung des Bauvorhabens Rechnung tragen kann.

Ein außerordentliches Kündigungsrecht wird in der Praxis bisher insbesondere für Bauverträge anerkannt. Aufgrund einer vergleichbaren Interessenlage kann aber auch bei anderen Werkverträgen ein Bedürfnis für ein Recht zur außerordentlichen Kündigung bestehen. Dies dürfte insbesondere dann der Fall sein, wenn der Werkvertrag auf eine längerfristige Zusammenarbeit angelegt ist. 

Beispiele hierfür sind etwa Architektenverträge, Verträge über Planung und Einrichtung größerer EDV-Anlagen oder die Erstellung eines Computerprogrammes nach den besonderen Anforderungen des Bestellers. Das außerordentliche Kündigungsrecht wird daher nicht in das Kapitel 2 „Bauvertrag“, sondern in das 

Kapitel 1 „Allgemeine Vorschriften“ eingestellt.

Von einer Beschränkung des Kündigungsrechts auf Werkverträge, die auf eine längere Dauer der Zusammenarbeit angelegt sind, wurde abgesehen, um die Begründetheit der Kündigung nicht von einem weiteren unbestimmten
Rechtsbegriff abhängig zu machen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei „kleineren“, schneller abzuwickelnden Werkverträgen häufig die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrags bis zur Fertigstellung des Werks
nicht gegeben sein wird und diese schon deshalb nicht in den Anwendungsbereich des Kündigungsrechts aus wichtigem Grund fallen.

Absatz 2 ermöglicht eine Teilkündigung des Werkvertrags. Angesichts des Umfangs der in einem Werkvertrag bisweilen vereinbarten Werkleistungen und der in einem solchen Vertrag oftmals gebündelten unterschiedlichen Leistungen ist es sinnvoll, den Parteien die Möglichkeit zur Teilkündigung zu eröffnen. Die Teilkündigung muss
sich dabei auf einen „abgrenzbaren Teil des geschuldeten Werks“ beziehen. Das Abgrenzungskriterium unterscheidet sich von dem Abgrenzungskriterium der Teilkündigung in § 8 Absatz 3 VOB/B. Der dort verwendete Begriff des „in sich abgeschlossenen Teils der Leistung“ stellt eine unnötig hohe Hürde für die Vertragspartner dar. Entscheidend ist, dass die Vertragspartner eine klare Abgrenzung der von der Teilkündigung erfassten und der danach noch von einem anderen Werkunternehmer zu erbringenden Leistungen vornehmen können und der
von der Kündigung betroffene Unternehmer in der Lage ist, die von ihm noch geschuldeten Leistungen ohne Beeinträchtigung zu erbringen. Das Kriterium „abgrenzbarer Teil des geschuldeten Werks“ ist hierfür ausreichend.

Nach Absatz 3 ist bei einer Kündigung nach Absatz 1 und Absatz 2 § 314 Absatz 2 und 3 entsprechend anzuwenden. § 314 Absatz 2 enthält Regelungen dazu, wann vor einer Kündigung aus wichtigem Grund eine Fristsetzung zur Abhilfe erforderlich und wann diese entbehrlich ist.
Aus der Verweisung auf § 314 Absatz 3 ergibt sich, dass eine außerordentliche Kündigung eines Werkvertrags nur innerhalb einer angemessen Frist erfolgen kann, nachdem der Berechtigte vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

Absatz 4 Satz 1 sieht vor, dass beide Vertragsparteien nach der Kündigung eines Werkvertrags zu einer gemeinsamen Feststellung des Leistungsstandes verpflichtet sind, wenn eine Vertragspartei dies verlangt. Die Feststellung des Leistungsstandes dient – allein – der quantitativen Bewertung der bis zur Kündigung erbrachten Leistung und soll späterem Streit über den Umfang der erbrachten Leistungen vorbeugen. Sie hat keine der Abnahme vergleichbaren Rechtsfolgen. Lehnt eine der Vertragsparteien die Mitwirkung an der Feststellung des Leistungsstandes ab oder bleibt sie einem vereinbarten oder innerhalb angemessener Frist bestimmten Termin zur Feststellung des Leistungsstandes fern, trifft sie nach Satz 2 die Beweislast hinsichtlich des Leistungsstandes zum Zeitpunkt der Kündigung. 

Dies gilt nicht, wenn die betreffende Vertragspartei aufgrund eines Umstandes fernbleibt, den sie nicht zu vertreten und der anderen Vertragspartei unverzüglich mitzuteilen hat.
Mit dieser Rechtsfolge wird ein angemessener Anreiz geschaffen, um das notwendige Zusammenwirken der Vertragsparteien auch nach einer Kündigung zu fördern. Die Regelung orientiert sich im Übrigen an § 8 Absatz 6 VOB/B, der die Vertragspartner nach einer Kündigung zu einem gemeinsamen Aufmaß verpflichtet, und an der
Rechtsprechung des BGH hierzu (Urteil vom 22. Mai 2003, VII ZR 143/02, BauR 2003, 1207). 

Durch die Regelung, dass die fernbleibende Partei die Gründe für ihr Fernbleiben der anderen Vertragspartei unverzüglich mitzuteilen hat, wird zum einen erreicht, dass sich die Parteien über den Termin zur Leistungsstandfeststellung verständigen. Zum anderen kann so vermieden werden, dass die Frage des Nichtvertretenmüssens des Fernbleibens erst Jahre später in einem Folgeprozess geklärt werden kann.

Absatz 5 regelt die Folgen einer Kündigung für die vereinbarte Vergütung. Danach hat der Unternehmer – anders als bei einer freien Kündigung nach § 648 BGB-E (bisher § 649) – im Fall einer Kündigung aus einem wichtigen Grund nur Anspruch auf die Vergütung, die auf das bis zur Kündigung erbrachte Teilwerk entfällt. Bei der Kündigung aus wichtigem Grund wäre ein an der vereinbarten Vergütung ausgerichteter Anspruch, wie ihn § 648 BGB-E (bisher § 649) vorsieht, nicht angemessen. Bisher schon geht die Rechtsprechung bei der Kündigung des
Bestellers aus wichtigem Grund davon aus, dass der Vertrag nach allgemeinen Grundsätzen abzuwickeln ist und damit nur die bereits erbrachten Leistungen zu vergüten sind. Absatz 5 sieht diese Rechtsfolge nun für jede Kündigung nach Absatz 1 vor. Da der einer Kündigung zugrunde liegende wichtige Grund nicht ausschließlich aus der Sphäre eines der Vertragspartner kommen muss, ist dies auch für die Kündigung durch den Unternehmer gerechtfertigt.

Durch Absatz 6 wird klargestellt, dass die außerordentliche Kündigung die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, nicht berührt. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann etwa bestehen, wenn der wichtige Grund, der
Anlass für die Kündigung war, von einer Partei schuldhaft herbeigeführt worden ist.

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu den Nummern 16, 22, 23 und 25. Die das allgemeine Werkvertragsrecht betreffenden Vorschriften der §§ 649 bis 651 werden im neuen Kapitel 1 – Allgemeine Vorschriften – zusammengefasst.
Infolgedessen ist eine weitere Folgeänderung im Rahmen der Vorschrift des bisherigen § 651 (künftig § 650 BGB-E) erforderlich.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.