Sonntag, 19. März 2017

§ 650 BGB-E (Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen)


Neu in das BGB aufgenommen werden  spezielle Vorschriften zum Architektenvertrag und Ingenieurvertrag.

Die Einordnung der Architekten- und Ingenieurverträge in das Vertragsrecht ist aufgrund der Vielgestaltigkeit der Aufgaben des Architekten nicht einfach, da diese Verträge typischerweise viele verschiedene Aufgaben enthalten.
Bei einigen Aufgaben des Architekten und Ingenieurs wäre auch eine Zuordnung zum Dienstvertragsrecht vorstellbar. Der BGH hat sich in seiner Rechtsprechung jedoch durchgängig für eine Unterstellung des Architektenvertrags und des Ingenieurvertrags unter das Werkvertragsrecht entschieden und diese Bewertung zum einen damit begründet, dass die Tätigkeit des Architekten der Herbeiführung eines „Erfolges (§ 631 BGB)“ diene, nämlich der „Herstellung eines Bauwerks“ und zum anderen festgestellt, dass die Anwendung des Werkvertragsrechts auf der Rechtsfolgenseite zu sachgerechteren Ergebnissen führe. Eine Qualifizierung des Architektenvertrags als „gemischter Vertrag“ würde zu einer nicht mehr zu beherrschenden Anwendung unterschiedlicher Regelungen der einzelnen Vertragstypen und damit in der Rechtsanwendung zu erheblichen Unsicherheiten führen. Da die Anwendung des Werkvertragsrechts für Architekten und Ingenieure andererseits in einigen Punkten erhebliche, teilweise unverhältnismäßig belastende Konsequenzen hat, sollen die Regelungen des Werkvertragsrechts nicht un-
eingeschränkt auf Architekten- und Ingenieurverträge Anwendung finden, sondern den Besonderheiten dieses Vertragstyps durch spezielle Regelungen Rechnung getragen werden. 

Um den besonderen Charakter der Architekten- und Ingenieurverträge deutlich zu machen, werden diese Vorschriften in Titel 9 – Werkvertrag und ähnli-
che Verträge – in einem eigenen Untertitel zusammengefasst.

Zu § 650o BGB-E (Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen)
Die Vorschrift definiert die vertragstypischen Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen.

Nach Absatz 1 ist der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die vereinbarten Planungs-
und Überwachungsziele zu erreichen. Mit dieser Formulierung wird zum Ausdruck gebracht, dass Architekten-und Ingenieurverträge typischerweise eine Reihe verschiedener Pflichten umfassen und zwischen dem Planungs-
erfolg und den Planungs- und Leistungsschritten zu unterscheiden ist.
Die Definition umfasst sowohl Architekten- und Ingenieurleistungen zur Herstellung von Bauwerken als auch zur Herstellung von Außenanlagen. Der Begriff der „Außenanlage“ ist ebenso zu verstehen wie in § 648a BGB. Nach
der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 24. Februar 2005 – VII ZR 86/04, NJW-RR 2005, 750) sind als Arbeiten an einer Außenanlage solche gemeint, die mit Arbeiten an einem Bauwerk im weitesten Sinne vergleichbar
sind. Es sind nicht sämtliche Arbeiten an einem Grundstück erfasst, sondern es muss sich um gestalterische Arbeiten handeln, die der Errichtung der Anlage oder deren Bestand dienen. Dies entspricht auch der Verwendung des Begriffs der Außenanlage in § 650a BGB-E. Dort ist auch nicht jede Vereinbarung über Arbeiten an einem
Grundstück als Bauvertrag anzusehen, sondern nur die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder der Umbau einer Anlage. Für die Einordnung von Leistungen der Architekten oder Ingenieure bedeutet dies, dass
nicht jede Vereinbarung über Leistungen in Bezug auf Arbeiten an einem Grundstück als Architekten- oder Ingenieurvertrag anzusehen ist. 

Es muss sich vielmehr um Leistungen handeln, die auf gestalterische Arbeiten gerichtet sind. Dies ist etwa bei der Planung für die Einrichtung oder Umgestaltung eines Gartens, eines Parks, eines Teichs oder eines Dammes der Fall. Darauf, ob die Anlage in einen Zusammenhang mit einem Bauwerk steht oder nicht, kommt es dabei nicht an. Planungs- und Überwachungsleistungen zur Einrichtung oder Umgestaltung
von „Freianlagen“ im Sinne des § 39 HOAI dürften daher regelmäßig als Architekten- oder Ingenieurverträge anzusehen sein.

Sowohl bei einem auf ein Bauwerk als auch bei einem auf eine Außenanlage gerichteten Architekten oder Ingenieurvertrag sind regelmäßig umfangreiche und komplexe Tätigkeiten geschuldet, auf die die Regelungen dieses Untertitels zugeschnitten sind.

Zu Absatz 2
Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer nach Absatz 2 zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.
Mit dieser Vorschrift soll Fällen Rechnung getragen werden, in denen sich der Besteller mit noch vagen Vorstellungen von dem zu planenden Bauvorhaben oder der Außenanlage an den Architekten oder Ingenieur wendet, und daher bei Vertragsschluss noch keine Einigung über alle wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele vorliegt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn zwar fest steht, welchen Zweck das zu planende Gebäude haben soll, jedoch noch wesentliche Fragen, wie etwa die Art des Daches, die Zahl der Geschosse oder ähnliche für die
Planung grundlegende Fragen offen sind. In solchen Fällen soll der Architekt oder Ingenieur die Wünsche und Vorstellungen des Bestellers erfragen und unter deren Berücksichtigung eine Planungsgrundlage zur Ermittlung der noch offenen Planungs- und Überwachungsziele erstellen. Das Gesetz verwendet bewusst das Wort „Pla-
nungsgrundlage“, um deutlich zu machen, dass es noch nicht um die eigentliche Planung geht. 

Es ist in dieser Phase lediglich eine Grundlage, etwa eine erste Skizze oder eine Beschreibung des zu planenden Vorhabens, geschuldet, auf der dann die Planung aufbauen kann.
Nach Absatz 2 Satz 2 ist der Architekt oder Ingenieur verpflichtet dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vorzulegen. Die Kosteneinschätzung soll dem Besteller eine grobe Einschätzung der zu erwartenden Kosten für seine Finanzierungsplanung geben. Pla-
nungsgrundlage und Kosteneinschätzung zusammen sollen den Besteller in die Lage versetzen, eine fundierte Entscheidung zu treffen, ob er dieses Bauprojekt oder die Außenanlage mit diesem Planer realisieren oder von dem in § 650q BGB-E vorgesehenen Kündigungsrecht Gebrauch machen möchte.
Die Absätze 1 und 2 beschreiben die Pflichten des Architekten und Ingenieurs präziser als der bisher einschlägige § 631 Absatz 1, wonach der Unternehmer die „Herstellung des versprochenen Werks“ schuldet. Ferner soll die Definition dazu beitragen, die im Laufe der Planentwicklung notwendige Konkretisierung des Erfolgs von der eine Mehr- oder Mindervergütung auslösenden Änderungsanordnung abzugrenzen. Änderungswünsche des Bestellers, die bereits getroffene Festlegungen betreffen, bedürfen entweder einer vertraglichen Änderungsvereinbarung oder können über das Anordnungsrecht nach § 650b BGB-E geltend gemacht werden.
Mit der Neuregelung soll zugleich einer in der Praxis vielfach zu weitgehenden Ausdehnung der unentgeltlichen Akquise zu Lasten des Architekten entgegengewirkt werden. Durch die Einführung einer vertraglichen Pflicht
des Architekten oder Ingenieurs; an der Ermittlung von Planungs- und Überwachungszielen mitzuwirken, stellt der Gesetzgeber klar, dass zum Zeitpunkt der grundlegenden Konzeption des Bauprojekts durchaus bereits ein Vertrag geschlossen sein kann. Alternativ war erwogen worden, eine verpflichtende Schrift-/Textform für den Architekten- oder Ingenieurvertrag einzuführen, um die bestehenden Probleme beim Übergang von der (nicht zu vergütenden) Akquise zum (honorarpflichtigen) Vertrag zu lösen. 

Letztlich wurden diese Überlegungen nicht weiterverfolgt, da sich die Abgrenzungsprobleme durch eine Formvorgabe nicht lösen lassen, stattdessen aber
eine Reihe neuer Fragen entstehen, wenn die Formvorschrift von den Parteien nicht beachtet wird.

Auf eine Bezugnahme auf die HOAI, in der die beim Architekten- und Ingenieurvertrag in der Regel zu erbringenden Leistungsbilder und Leistungsphasen definiert sind, wurde bei der Formulierung der vertragstypischen
Pflichten aus rechtssystematischen Gründen verzichtet, da es sich bei der HOAI um eine Gebührenordnung handelt. Diese muss im Übrigen nicht zwingend alle Leistungen abdecken, die der Architekt oder der Ingenieur im Einzelfall vertraglich schuldet.
Die Pflicht des Bestellers zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung ergibt sich aus den allgemeinen werkvertraglichen Vorschriften (§ 650p BGB-E in Verbindung mit § 631 Absatz 1 und § 632 Absatz 1). Für die Höhe der
Vergütung sind außerdem die Regelungen der HOAI zu beachten, wenn das geschuldete Werk durch die dort beschriebenen Leistungsbilder geprägt ist.

Zu § 650p (Anwendbare Vorschriften)
Zu Absatz 1
Die Vorschrift bestimmt, dass – wie in den einleitenden Ausführungen zu Untertitel 2 näher begründet – auf den Architekten- und Ingenieurvertrag die Vorschriften des Kapitels 1 des Untertitels 1 – Werkvertragsrecht – grundsätzlich entsprechend Anwendung finden sollen.
Zudem sollen einzelne Vorschriften des Kapitels 2 des Untertitels 1 – im Einzelnen handelt es sich um die §§ 650b, 650d bis 650g BGB-E – entsprechend anwendbar sein:

Das in § 650b BGB-E geregelte Anordnungsrecht des Bestellers soll auch im Rahmen von Architekten- oder Ingenieurverträgen gelten. Gerade im Rahmen dieser Verträge besteht oft ein praktisches Bedürfnis nachträglicher Änderungen. Für die sich an eine solche Anordnung anschließende Vergütungsanpassung ist in
Absatz 2 eine spezielle Regelung für Architekten- und Ingenieurverträge vorgesehen.

Die bisher in den §§ 648 und 648a enthaltenen und nach dem Entwurf in die §§ 650d, 650e BGB-E zu verschiebenden Regelungen zur Sicherungshypothek des Unternehmers und zur Bauhandwerkersicherung sind
schon nach bisheriger Rechtsprechung auch auf die Sicherung des Honoraranspruchs des Architekten oder Ingenieurs anwendbar. Dies soll nunmehr ausdrücklich festgeschrieben werden. Die Konturierung, die die Anwendbarkeit der beiden Absicherungsvorschriften auf Architekten- und Ingenieurverträge durch die bis-
her dazu ergangene Rechtsprechung erhalten hat, dürfte infolge der lediglich entsprechenden Anwendbarkeit aufrechterhalten werden können.

Ein Bedürfnis für eine Zustandsfeststellung nach § 650f BGB-E, wenn der Besteller die Abnahme verweigert, kann sich auch bei Architekten- und Ingenieurverträgen ergeben.

Die zu § 650g BGB-E ausgeführten Erwägungen für ein Schriftformerfordernis bei Kündigungen treffen auch bei Architekten- und Ingenieurverträgen zu. Auch insoweit spricht das Interesse an Beweissicherung und Rechtssicherheit dafür, ein solches Erfordernis aufzustellen. Zudem kann auch hier der Zweck des Formerfordernisses relevant werden, die Vertragsparteien von einer übereilten Kündigungserklärung abzuhalten.

Zu Absatz 2
Für die Vergütungsanpassung bei Anordnungen nach § 650b sollen vorrangig die Entgeltberechnungsregeln der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Soweit infolge der Anordnung zu erbringende oder entfallende Leistungen vom Anwendungsbereich der Honorarordnung erfasst werden, ist sie für die Vergütungsanpassung heranzuziehen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn es sich bei den infolge der Anordnung zu erbringenden oder entfallenden Leistungen um „Grundleistungen“
im Sinne der HOAI handelt. Ob darüber hinaus auch die Grundsätze des § 10 HOAI herangezogen werden können, wenn sich infolge der Anordnung der Umfang der beauftragten Leistung ändert oder Grundleistungen zu wiederholen sind, erscheint zumindest zweifelhaft; denn § 10 HOAI setzt nach seinem Wortlaut sowohl hinsicht-
lich der Änderung als auch hinsichtlich der Vergütungsanpassung eine Vereinbarung der Parteien voraus. Diese Frage kann der Rechtsprechung überlassen werden.
Lässt sich § 10 HOAI nicht entsprechend heranziehen oder ergibt sich aus anderen Gründen eine nicht von der HOAI erfasste Konstellation, gilt Absatz 2 Satz 2 und 3. Danach ist die Vergütungsanpassung für den vermehrten
oder verminderten Aufwand aufgrund der angeordneten Leistung frei vereinbar. 

Soweit die Parteien keine Vereinbarung treffen, gilt § 650c BGB-E entsprechend. Der Entwurf stellt insoweit vorrangig auf eine Vereinbarung der Parteien ab, weil eine Berechnung des Mehr- oder Minderaufwands anhand der tatsächlichen Kosten gemäß
§ 650c BGB-E beim Architekten- und Ingenieurvertrag wegen fehlender Bezugspunkte Schwierigkeiten aufwerfen kann. So wird ein Mehraufwand in der Regel aus zusätzlich aufgewendeter Arbeitszeit des Architekten oder
Ingenieurs selbst oder eines Subplaners bestehen. Erfahrungswerte, wieviel Sunden regelmäßig für eine bestimmte Planungsaufgabe benötigt werden, gibt es ebenso wenig wie eine Taxe für die Höhe der Vergütung pro Stunde. Anders als beim Bauvertrag wird beim Architekten- und Ingenieurvertrag regelmäßig auch keine Urkalkulation hinterlegt, die als Bezugspunkt dienen könnte. Es soll daher für die Vergütungsanpassung nach Anordnung außerhalb der HOAI-Tatbestände in erster Linie auf eine vertragliche Vereinbarung abgestellt werden. Nur
wenn die Parteien keine Vereinbarung treffen soll – ebenso wie es § 632 Absatz 2 für den Auffangmaßstab der üblichen Vergütung regelt – der Maßstab der tatsächlich erforderlichen Kosten gemäß § 650c BGB-E gelten.

Zu § 650q (Sonderkündigungsrecht)
Die Vorschrift gewährt dem Besteller und unter bestimmten Umständen auch dem Unternehmer bei einem Architekten- oder Ingenieurvertrag, bei dem der Planungs- und Überwachungserfolg bei Vertragsabschluss noch nicht festgelegt worden ist, ein besonderes Kündigungsrecht.
Das Kündigungsrecht soll insbesondere Verbraucher vor den Rechtsfolgen eines häufig übereilt abgeschlossenen umfassenden Architektenvertrags schützen, der alle neun Leistungsphasen des § 3 HOAI beinhaltet.
Das besondere Kündigungsrecht erstreckt sich auch auf Ingenieurverträge sowie auf Verträge zwischen Unternehmern (B2B-Verträge). Auch bei Ingenieurleistungen gibt es Verträge, die hinsichtlich der Planungs- und Überwachungsziele noch konkretisierungsbedürftig sind und bei denen der Besteller im weiteren Verlauf zu der Erkenntnis kommt, dass er die Gesamtkosten des Vorhabens unterschätzt hat und er von seiner Durchführung absehen will. Dass in der Praxis ein Bedürfnis zur vorzeitigen Lösung vom Vertrag auch im B2B-Bereich besteht,
zeigt sich daran, dass im Unternehmerbereich häufig „gestufte Verträge“ abgeschlossen werden, die beiden Vertragspartnern diese Lösungsmöglichkeit eröffnen.

Absatz 1 regelt, dass der Besteller den Vertrag nach Vorlage der Unterlagen nach § 650o Absatz 2, also Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung kündigen kann. Das Kündigungsrecht erlischt nach Absatz 1 Satz 2 innerhalb von zwei Wochen. Zum Schutz des Verbrauchers ist der Architekt oder Ingenieur verpflichtet, ihn über das
besondere Kündigungsrecht, die Frist, in der dieses ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen dieser Kündigung im Gegensatz zu denen des allgemeinen Kündigungsrechts nach § 648 BGB-E (bisher § 649) zu unterrichten. Unterbleibt die Unterrichtung, besteht das Kündigungsrecht des Verbrauchers weiter. Eine Möglichkeit, die Unterrichtung später nachzuholen, sieht das Gesetz nicht vor. Diese „scharfe“ Rechtsfolge soll sicherstellen, dass die Belehrungspflicht von Seiten des Unternehmers ernst genommen wird.

Absatz 2 gibt dem Architekten oder Ingenieur unter bestimmten Umständen ebenfalls das Recht, sich vom Vertrag zu lösen. Das Gesetz sieht vor, dass der Unternehmer dem Besteller eine angemessene Frist für die Zustimmung nach § 650o Absatz 2 Satz 2 BGB-E setzen kann. Wirkt der Besteller daraufhin nicht an der Fortführung der
Planung mit, indem er die Zustimmung zu der übermittelten Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung verweigert oder dazu innerhalb der ihm vom Unternehmer gesetzten angemessenen Frist keine Erklärung abgibt, soll auch dem Architekten/Ingenieur ein Kündigungsrecht zustehen.
Die Einführung eines Kündigungsrechts des Unternehmers ohne rechtfertigende Gründe erscheint dagegen nicht gerechtfertigt. Der Besteller muss sich grundsätzlich auf die Erfüllung des Vertrags verlassen können. Muss er den Architekten- oder Ingenieur auswechseln, ist dies für den Besteller mit erheblichen Mehrkosten verbunden.
Zudem dürfte es für ihn in der Regel auch schwierig sein, kurzfristig einen anderen Fachplaner zu finden, der das Bauprojekt zu Ende führt.

Absatz 3 legt fest, dass bei einer Kündigung nach Absatz 1 oder Absatz 2, unabhängig davon welcher Vertragspartner sie ausgesprochen hat, der Architekt oder Ingenieur nur einen Anspruch auf Vergütung der bis dahin von ihnen erbrachten Leistungen hat.

Zu § 650r BGB-E (Teilabnahme)

Die Vorschrift eröffnet dem Architekten oder Ingenieur das Recht, ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers oder der bauausführenden Unternehmer eine Teilabnahme der bis dahin erbrachten Architekten- oder Ingenieurleistungen zu verlangen. Damit wird hinsichtlich des überwiegenden Teils der Leistungen des Architekten oder Ingenieurs ein Gleichlauf der Verjährungsfrist der Mängelhaftung mit der des bauausführenden Unternehmers erreicht.
Mit der Regelung soll die ungleiche Belastung von Architekten und Ingenieuren im Rahmen ihrer gesamtschuldnerischen Haftung für Baumängel zusammen mit dem Bauunternehmer reduziert werden. Diese ungleiche Belastung entsteht unter anderem dadurch, dass die in Architekten- und Ingenieurverträgen gebündelten unterschiedli-
chen Leistungen bei einem umfassenden Vertrag beispielsweise auch die Objektbetreuung (Leistungsphase 9 nach § 3 HOAI) beinhalten und damit über die eigentliche Bauphase hinausgehen. Dies führt nach geltendem Recht zu
einem späteren Beginn der Verjährungsfrist für Architekten- und Ingenieurleistungen als beim bauausführenden Unternehmer und in der Folge auch zu einem entsprechend späteren Ende der Frist. Nach dem Ende der Verjährungsfrist für den bauausführenden Unternehmer haften Architekt und Ingenieur weiterhin für in dieser Phase noch vom Bauherrn geltend gemachte Baumängel, auch wenn diese ggf. überwiegend vom Bauunternehmer zu verantworten sind. Ein Rückgriff des in Anspruch Genommenen auf den Bauunternehmer ist wegen der für diesen
Unternehmer dann bereits abgelaufenen Mängelgewährleistungsfrist jedoch nicht mehr möglich. 

Durch die Einführung eines Rechts auf Teilabnahme wird erreicht, dass die Verjährungsfristen von bauausführendem Unternehmer und Architekten und Ingenieurs für ihre bis zur Bauabnahme erbrachten Leistungen nahezu parallel laufen
und der Planer nach einer Inanspruchnahme noch die Möglichkeit hat, auf den bauausführenden Unternehmer zurückzugreifen.
Das neue Recht des Architekten oder Ingenieurs, parallel zu der Abnahme der Leistungen des bauausführenden Unternehmers eine Teilabnahme zu verlangen, hat keine praktische Bedeutung, wenn der Architekt oder Ingenieur
nicht mit über die Planungs- und Bauüberwachungsphase hinausgehenden Tätigkeiten beauftragt ist. Wenn ein Architekt oder Ingenieur beispielsweise nur mit der Planung des Vorhabens beauftragt war, kann er nach dem
Ende seiner Tätigkeiten bereits die (Gesamt-)Abnahme nach § 640 Absatz 1 verlangen. Für diese Fälle ändert sich durch das neue Recht auf Teilabnahme nichts.
Hat der Architekt oder Ingenieur von seinem Recht auf Teilabnahme Gebrauch gemacht, schließt sich nach Erfüllung aller geschuldeten Leistungen die Schlussabnahme an.

Zu § 650s BGB-E (Gesamtschuldnerische Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer)
§ 650s BGB-E sieht vor, dass ein Unternehmer, der vom Besteller wegen eines Überwachungsfehlers, der zu einem Mangel an dem Bauwerk oder der Außenanlage geführt hat, in Anspruch genommen wird, die Leistung verweigern kann, wenn auch der bauausführende Unternehmer für den Mangel haftet und der Besteller diesem
noch nicht erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat. Mit dieser Vorschrift soll ein „Vorrang der Nacherfüllung“ im Verhältnis zwischen Architekt/Ingenieur, ausführendem Bauunternehmer und Besteller eingeführt werden. Dem vom Besteller auf Schadensersatz nach den §§ 634 Nummer 4, 280, 281 in Anspruch genommenen Architekten/Ingenieur steht ein Leistungsverweigerungsrecht zu, wenn nicht der Besteller dem bauausführenden Unternehmer bereits erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach § 634 Nummer 1 bestimmt hat.
Ziel der Regelung ist es, die überproportionale Belastung der Architekten und Ingenieure im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer zu reduzieren. Auch wenn die Verjährungsfrist
für Baumängel gegenüber dem bauausführenden Unternehmer noch nicht abgelaufen ist, nehmen Bauherren bei Mängeln, die sowohl der Bauunternehmer als auch der Architekt oder Ingenieur zu verantworten haben, vorrangig letztere in Anspruch, da Architekten und Ingenieure aufgrund ihrer Berufsordnung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verpflichtet sind und damit die Realisierung von Schadensersatzansprüchen gesichert ist.

Ist die Realisierung des Regressanspruchs des Architekten oder Ingenieurs bzw. seiner Versicherung gegenüber dem bauausführenden Unternehmer nicht mehr möglich, etwa weil das bauausführende Unternehmen zwischenzeitlich insolvent ist, führt dies zu einer wirtschaftlich stärkeren Belastung der Architekten und Ingenieure als dies ihrem Beitrag zum Mangel entspricht.
Dieses Ungleichgewicht soll durch gesetzgeberische Maßnahmen beseitigt, zumindest aber reduziert und so ein Interessenausgleich zwischen Architekten und Ingenieuren einerseits und Bauunternehmern andererseits erreicht
werden. Hierzu wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten geprüft, etwa die Abschaffung der auf die Rechtsprechung des BGH zurückgehenden gesamtschuldnerischen Haftung der am Bau Beteiligten oder die Einschrän-
kung der gesamtschuldnerischen Haftung durch Regelung der Rangfolge der Inanspruchnahme.
Der Entwurf sieht nunmehr ein Leistungsverweigerungsrecht des Architekten/Ingenieurs vor, wenn der Besteller nicht zuvor den ausführenden Bauunternehmer erfolglos zur Nacherfüllung aufgefordert hat. Damit wird zumin-
dest bei kleineren – leicht zu behebenden – Baumängeln eine vorschnelle Inanspruchnahme des Architekten oder Ingenieurs verhindert. Gleichzeitig wird einer erfolgversprechenden Nachbesserung der Vorrang vor der Geltend-
machung eines Schadensersatzanspruchs auch in dem durch die Gesamtschuld entstehenden Mehrpersonenverhältnis zwischen Bauherr, Architekt bzw. Ingenieur und bauausführendem Unternehmer eingeräumt wie dies bereits im Verhältnis zwischen Besteller und bauausführenden Unternehmer der Fall ist. Das werkvertragliche Mängelhaftungsrecht (§§ 634 ff.) sieht vor, dass dem Unternehmer zunächst das Recht auf Nachbesserung eingeräumt werden muss, bevor der Besteller andere Mängelhaftungsrechte geltend machen kann, etwa Schadensersatz ver-
langen, den Vergütungsanspruch mindern oder den Schaden selbst beseitigen. Dieses Recht zur „zweiten Andienung“ ist dem bauausführenden Unternehmer verwehrt, wenn der Besteller im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung von Planer und bauausführendem Unternehmer sofort den Planer in Anspruch nimmt. Der solvente
Unternehmer hat in der Regel jedoch ein Interesse sein Recht zur Nacherfüllung wahrzunehmen. 

Zum einen ist es eine Möglichkeit, die „Zufriedenheit“ seiner Kunden wiederherzustellen, zum anderen ist eine Nacherfüllung
regelmäßig kostengünstiger als die Erfüllung des Regressanspruchs des Planers.
Der Architekt oder Ingenieur kann das Leistungsverweigerungsrecht nur im Fall von Überwachungsfehlern, die zu Mängeln an dem Bauwerk oder der Außenanlage geführt haben, erheben. Diese Beschränkung, die Planungsmängel nicht in den Anwendungsbereich des Leistungsverweigerungsrechts einbezieht, ist dadurch gerechtfertigt, dass der Architekt oder Ingenieur in diesen Fällen die Hauptursache für den Mangel gesetzt hat. Es wäre in dieser Konstellation nicht angemessen, den Besteller zunächst auf eine Inanspruchnahme des Bauunternehmers auf
Nacherfüllung zu verweisen.
Nicht erforderlich ist, dass der Besteller gegen den bauausführenden Unternehmer erfolglos geklagt hat. Es genügt, dass er diesem erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, wie das auch das Mängelgewährleistungsrecht als Voraussetzung für die Geltendmachung anderer Mängelgewährleistungsansprüche vorsieht (vgl. § 637). Weitergehende Voraussetzungen würden die Geltendmachung seiner Mängelhaftungsansprüche erschweren und wären – gerade bei größeren Mängeln – mit einem nicht hinnehmbaren Zeitverlust verbunden.
Eine Abschaffung der gesamtschuldnerischen Haftung ist abzulehnen, da diese Lösung ausschließlich zu Lasten des Bestellers und hier insbesondere der Verbraucher ginge, die eine anderweitige Absicherung ihrer Ansprüche
vertraglich im Zweifel nicht durchsetzen können. Der Besteller würde beim Wegfall der gesamtschuldnerischen Haftung außerdem prozessual benachteiligt, da er dann eine Schadensaufteilung zwischen den am Bau Beteiligten vorzunehmen hätte, um diese einzeln zu verklagen. Eine solche Schadensaufteilung korrekt vorzunehmen, dürfte dem Besteller selbst mit sachverständiger Unterstützung nicht immer gelingen.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.