In
Kapitel 2 werden die bisher in Untertitel 1, den Regelungen zum
Werkvertrag, verstreuten Vorschriften zum Bauvertrag zusammengefasst
und um weitere Vorschriften ergänzt.
Neu
in das Kapitel 2 aufgenommen werden eine Definition des Bauvertrags
(§ 650a BGB-E), Regelungen zum Anordnungsrecht des Bestellers (§
650b BGB-E) sowie Vorgaben für die Preisberechnung bei Mehr- oder
Minderleistungen (§ 650c BGB-E).
Außerdem
werden die Vorschriften der bisherigen §§ 648 Absatz 1, 648a zur
Sicherungshypothek des Bauhandwerkers und zur Bauhandwerkersicherung
weitgehend unverändert in den §§ 650d, 650e BGB-E übernommen. In
§ 650f BGB-E werden Regelungen über die Zustandsfeststellung in dem
Fall, dass die Abnahme verweigert wird, getroffen. In § 650g BGB-E
wird zudem ein generelles Schriftformerfordernis für die Kündigung
von Bauverträgen eingeführt.
Zu
§ 650a BGB-E (Bauvertrag)
Bisher
enthält das BGB keine Definition, was unter einem Bauvertrag,
insbesondere in Abgrenzung zum „einfachen“ Werkvertrag, zu
verstehen ist. Im Zuge der vorgeschlagenen Reform des
Bauvertragsrechts, mit der eine Reihe von Spezialregelungen für
Bauverträge in das BGB aufgenommen wird, wird nun zur Klarstellung
des Anwendungsbereichs dieser neuen Vorschriften eine auf der
bisherigen Rechtsprechung aufbauende Definitionsnorm eingeführt.
In
§ 650a Absatz 1 BGB-E wird zunächst der Begriff des Bauvertrags
definiert als ein Vertrag über die Herstellung, die
Wiederherstellung, die Beseitigung oder zum Umbau eines Bauwerks,
einer Außenanlage oder eines Teils davon. Angeknüpft wird damit zum
einen an den Begriff des Bauwerks, wie er bisher in § 634a Absatz 1
Nummer
2 verwendet wurde: Zur Auslegung des Bauwerksbegriffs wird in der
Regel an die zu § 634a Absatz 1 Nummer 2 bzw. der Vorgängernorm des
§ 638 BGB a. F. ergangene Rechtsprechung angeknüpft werden können.
Zum
anderen wird auf den Begriff der Außenanlage Bezug genommen, der
sich derzeit etwa in § 648a findet.
Durch
§ 650a Absatz 2 BGB-E wird geregelt, wann ein Vertrag über die
Instandhaltung eines Bauwerks als Bauvertrag im Sinne des neuen
Kapitels 2 „Bauvertragsrecht“ anzusehen ist. Dies soll nur dann
der Fall sein, wenn
das
Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen
Gebrauch des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist. Nur unter
diesen Voraussetzungen kann davon ausgegangen werden, dass es sich
nach Vertragsdauer und -umfang um einen auf längerfristige
Zusammenarbeit angelegten Vertrag handelt, bei dem die Anwendung der
folgenden speziellen bauvertragsrechtlichen Vorschriften
gerechtfertigt ist.
Unter Instandhaltung sind Arbeiten zu verstehen,
die zur Erhaltung des Soll-Zustandes des Bauwerks dienen (s. auch §
2 Absatz 9 der Honorarordnung
für Architekten und Ingenieure (HOAI); § 1 Vertragsordnung für
Bauleistungen Teil A – VOB/A). Instandhaltungsarbeiten, die für
Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch des
Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind, können etwa Pflege-,
Wartungs- und Inspektionsleistungen sein,
die
der Erhaltung und/oder der Funktionsfähigkeit des Bauwerks dienen.
Erfasst werden etwa Verträge zur Inspektion von Brücken oder zur
Pflege- und Wartung von tragenden oder sonst für den Bestand eines
Bauwerks wichtigen Teilen.
Zu
§ 650b BGB-E (Änderung des Vertrags; Anordnungsrecht des
Bestellers)
Der
neue § 650b BGB-E normiert Vorgaben für ein Anordnungsrecht des
Bestellers bei Bauverträgen. Die werkvertraglichen Regelungen im
Bürgerlichen Gesetzbuch kennen bisher ein Anordnungsrecht des
Bestellers nicht.
Damit
wird das Werkvertragsrecht dem auf eine längere Erfüllungszeit
angelegten Bauvertrag und dem komplexen Baugeschehen häufig nicht
gerecht, insbesondere wenn während der Ausführung des Baus
Veränderungen eintreten. In der Vertragsordnung für Bauleistungen
Teil B wurde diesem Bedürfnis bereits Rechnung getragen; § 1 Absatz
3 und 4 VOB/B enthält entsprechende Regelungen.
Das
Gesetz verfolgt das Ziel, möglichst auf ein Einvernehmen der
Vertragsparteien hinzuwirken, bevor der Besteller von seinem
Anordnungsrecht Gebrauch macht. Dies ist regelmäßig im Interesse
beider Parteien, weil ein Streit über eine Vertragsänderung die
Zusammenarbeit bei der weiteren Ausführung des Baus erheblich
belasten kann.
Absatz 1 Satz 1 sieht daher vor, dass die Vertragsparteien
Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu
leistende Mehr- oder Mindervergütung anstreben, wenn der Besteller
eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (Nummer 1) oder eine
Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig
ist (Nummer 2), wünscht.
Eine
Änderung des Werkerfolgs nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 ist nicht an
bestimmte Ziele gebunden. So kann sie darauf zurückzuführen sein,
dass sich die Vorstellungen des Bestellers geändert haben oder er
bei der Planung
Umstände,
etwa unterzubringende Möbel oder sonstige Gegenstände, nicht
berücksichtigt hat. Anordnungen nach Absatz 1 Nummer 2 dienen dazu,
den vereinbarten Werkerfolg zu erreichen. Solche Anordnungen des
Bestellers können
aus verschiedenen Gründen veranlasst sein, etwa durch Änderungen
der Rechtslage oder behördliche Vorgaben. Betroffen sind auch Fälle,
in denen die ursprüngliche Leistungsbeschreibung des Bestellers
lücken- oder fehlerhaft ist und ihre Umsetzung deshalb nicht zur
Herstellung eines funktionstauglichen Bauwerks führen würde.
Dann
wird der Anordnung oft ein Bedenkenhinweis des Unternehmers
vorausgehen.
Wesentlicher
Bestandteil einer einvernehmlichen Lösung ist, dass sich die
Parteien auch über die Auswirkungen einigen, die die Änderung für
die vom Besteller zu zahlende Vergütung hat. Der Unternehmer soll
daher nach Absatz 1 Satz 2 grundsätzlich verpflichtet sein, ein
Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen.
Sowohl
die Pflicht des Unternehmers, ein Angebot über die Mehr- oder
Mindervergütung zu erstellen, als auch das Anordnungsrecht nach
Absatz 2 soll in den Fällen der Änderung des vereinbarten
Werkerfolgs nach Absatz 1
Satz
1 Nummer 1 nicht uneingeschränkt bestehen. Absatz 1 Satz 2 und
Absatz 2 Satz 2 legen fest, dass der Unternehmer dazu nur
verpflichtet ist, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar
ist. Dieses Zumutbarkeitskriterium kann beispielsweise die
technischen Möglichkeiten, die Ausstattung und Qualifikation des
Bauunternehmers betreffen, aber auch betriebsinterne Vorgänge. Bei
der Abwägung, welche Leistungen für den Unternehmer zumutbar sind,
sind die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen und müssen
in einem ausgewogenen
Verhältnis
in die Bewertung einfließen. Zu berücksichtigen ist einerseits,
dass der Unternehmer durch die Anordnung zu Leistungen verpflichtet
wird, die nicht der ursprünglichen Vereinbarung der Parteien
entsprechen.
Schwelle
für die Unzumutbarkeit einer Anordnung soll daher unterhalb der des
allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts wegen Unzumutbarkeit (§ 275
Absatz 2 und 3) liegen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass
beide Vertragsparteien
in dem Stadium der Abwicklung des Bauvertrags aneinander gebunden
sind und ein Wechsel des Vertragspartners für den Besteller nur
schwer möglich und mit hohen Kosten verbunden ist.
Im
Gegensatz zu den Änderungen des vereinbarten Werkerfolgs soll für
Änderungen, die zur Erreichung des vereinbarten
Werkerfolgs erforderlich sind (Absatz 1 Nummer 1), kein neues
Zumutbarkeitskriterium eingefügt werden. Hier sollen dem Unternehmer
nur die allgemeinen Leistungsverweigerungsrechte wegen Unzumutbarkeit (§
275 Absatz 2 und 3) zustehen.
Die
Verteilung der Beweislast für die (Un-)Zumutbarkeit einer Anordnung
des Bestellers soll den Verantwortungssphären der Parteien Rechnung
tragen. Beweispflichtig für die Zumutbarkeit ist grundsätzlich der
Besteller, da
er den Vertrag ändern will. Dies gilt beispielsweise für die Frage,
ob das zur Ausführung notwendige Material tatsächlich im Handel
erhältlich ist. Der Unternehmer trägt nach Absatz 1 Satz 3 nur dann
die Beweislast für die Unzumutbarkeit,
wenn er sich auf betriebsinterne Vorgänge beruft, in die der
Besteller keinen Einblick hat. Hinsichtlich der Frage der
Unzumutbarkeit aus betriebsinternen Gründen ist bei einem
Generalunternehmer eine Gesamtbetrachtung unter Einschluss der
Nachunternehmer angezeigt. Es ist nicht nur auf den Betrieb des
Generalunternehmers selbst abzustellen, sondern es sind auch die
betrieblichen Möglichkeiten der Nachunternehmer zuzurechnen, ohne
die der Generalunternehmer den Auftrag nicht erhalten hätte.
Trägt
der Besteller die Planungsverantwortung, ist der Unternehmer nach
Absatz 1 Satz 4 nur dann zur Erstellung eines Angebots über die
Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für
die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer
zur Verfügung gestellt hat. Damit wird dem Umstand Rechnung
getragen, dass der Unternehmer erst dann zur Erstellung des Angebots
über die Mehr- oder Mindervergütung in der Lage ist, wenn er die
geänderte Planung und die darin vorgesehenen Leistungen kennt.
Für
den Fall, dass die Parteien auf der Grundlage der nach Absatz 1 zu
erstellenden Unterlagen keine Einigung erzielen, bestimmt Absatz 2,
dass der Besteller die Änderung anordnen kann. Einer Anordnung, die
auf eine Änderung des Werkerfolgs gerichtet ist, muss der
Unternehmer nach Absatz 2 Satz 2 nur nachkommen, wenn ihm die
Ausführung zumutbar ist. Der Begriff der Zumutbarkeit ist ebenso zu
verstehen wie in Absatz 1. Hinsichtlich der Beweislast für
betriebsinterne Vorgänge gilt Absatz 1 Satz 3 entsprechend (Absatz 2
Satz 3).
Absatz
3 lehnt sich an die vergleichbaren Regelungen in § 885 Absatz 1 Satz
2 und § 899 Absatz 2 Satz 2 an. Die Vorschrift enthält die
Vermutung des Vorliegens eines Verfügungsgrundes im Rahmen eines
Verfahrens auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung bei Streitigkeiten der
Vertragsparteien im Zusammenhang mit Anordnungen nach § 650b Absatz
1 BGB-E. Nach Beginn der Bauausführung wird danach widerleglich
vermutet, dass ein Verfügungsgrund
im Sinne der §§ 935, 940 der Zivilprozessordnung (ZPO) gegeben ist,
und damit eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Verfügung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist.
Diese Vermutung ist
im Hinblick auf die sich ständig ändernde Sachlage am Bau und die
drohende Schaffung vollendeter Tatsachen, wenn ohne vorherige
gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung
weitergebaut wird, gerechtfertigt und vereinfacht die Erlangung
einstweiligen Rechtsschutzes.
Im
Zusammenhang mit der Einführung eines Anordnungsrechts des
Bestellers eines BGB-Bauvertrags können sich Streitigkeiten der
Vertragsparteien ergeben, etwa wenn der Unternehmer die
Änderungsanordnung des Bestellers für unzumutbar hält oder die
Vertragsparteien sich nicht über die Kosten in der Folge einer
Änderungsanordnung
einigen können, weshalb die Höhe der vom Besteller zu zahlenden
Abschläge streitig wird. Streit über die Höhe der Abschläge kann
außerdem entstehen, wenn nur der Unternehmer die Anordnung als
Änderung des
Vertrags
ansieht, der Besteller dagegen von einer bloßen Verwirklichung der
vertraglich geschuldeten Leistung ausgeht.
Mit
Blick auf solche Streitigkeiten hat die Arbeitsgruppe
Bauvertragsrecht ergänzend zu ihren Vorschlägen über das
Anordnungsrecht des Bestellers die Einführung eines schnellen und
effizienten Streitbeilegungsmechanismus zum notwendigen Bestandteil
einer praxisgerechten Umsetzung des Anordnungsrechts erklärt
(sogenannte „Bauverfügung“).
Hierbei soll es sich um ein beschleunigtes vorläufiges gerichtliches
Erkenntnisverfahren mit hoher Richtigkeitsgewähr handeln, das sich
an das bestehende Verfahren der einstweiligen Verfügung (§§ 935
ff. ZPO)
anlehnt,
in bestimmten spezifischen Punkten aber von diesem abweicht. So
sollen nicht nur präsente Beweismittel zugelassen werden, es soll
grundsätzlich binnen zwei Wochen ab Eingang mündlich über den
Antrag verhandelt werden
und schon im ersten Termin ein Sachverständiger hinzugezogen werden.
Zudem soll die einmal erlassene Bauverfügung
keiner weiteren Überprüfung im Rechtsmittelzug unterliegen. Nachdem
im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Zweifel
aufgekommen sind, ob die Einführung
eines Bauverfügungsverfahrens zwingend erforderlich ist, ist zu dem
bereits bestehenden Anordnungsrecht nach § 1 Absatz 3 und 4 VOB/B
bei den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Bauvertragsrecht eine Umfrage
zu Art
und Umfang dadurch entstehender Streitigkeiten durchgeführt worden.
Diese Abfrage führte zu dem Ergebnis, dass in der Regel trotz teils
erheblicher Differenzen über Anordnungen nach § 1 Absatz 3 und 4
VOB/B während
der
laufenden Bauarbeiten kein gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch
genommen und der Streit der Parteien erst im Zusammenhang mit der
Schlussabrechnung ausgetragen wird. Es kommt demnach bei
VOB/B-Verträgen in der
Regel nicht zu erheblichen Verzögerungen und Unterbrechungen der
Bauarbeiten wegen Streitigkeiten über Anordnungen des Bestellers.
Es
wird daher derzeit nicht vorgeschlagen, ein spezielles
Bauverfügungsverfahren einzuführen. Vielmehr wird angenommen, dass
Streitigkeiten über Anordnungen nach § 650b Absatz 2 BGB-E entweder
durch Verhandlungen der Parteien oder durch einstweilige Verfügungen
beigelegt werden können.
Falls
sich nach den ersten Erfahrungen mit dem neuen Anordnungsrecht doch
ein Bedarf für ein spezielles Bauverfügungsverfahren ergeben
sollte, kann dieses später gesondert eingeführt werden.
© Marc Husmann Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.