Sonntag, 26. März 2017

Energetische Bewertung von Gebäuden

Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung,
Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung


Der typische Anwendungsfall für das  beschriebene Verfahren ist die Energieberatung bei
bestehenden Gebäuden, die mit den Berechnungsansätzen der DIN V 18599 durchgeführt wurde. Dieses Beiblatt enthält zwei wesentliche Anwendungsaspekte:

Bedarfs-Verbrauchs-Abgleich

Dieses Beiblatt bietet dem Anwender ein Hilfsmittel, die mit den Teilen 1 bis 10 unter Verwendung von Standardnutzung und Standardklima berechneten Bedarfswerte an die individuellen objektspezifischen Randbedingungen anzupassen und so einen Bedarfs-Verbrauchs-Abgleich durchzuführen. Es handelt sich hierbei um Handlungsempfehlungen, welche die Überprüfung der Eingangsdaten der Bilanz betreffen. Diese sind — je nach Einfluss auf das Endergebnis — in einer sinnvollen Reihenfolge zu prüfen und gegebenenfalls zu modifizieren.
Ziel ist es, den berechneten Endenergiebedarf an den (witterungskorrigierten) Verbrauch anzugleichen. Der dabei entstehende Bedarfskennwert kann eine Basis für möglichst realistische Wirtschaftlichkeits- berechnungen, Beratungen, Energieanalysen usw. sein. Die sich ergebende Energiebilanz ist nicht Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Nachweises nach der Energieeinsparverordnung.

Das vorliegende Verfahren ist nur geeignet, um Bedarfs- und Verbrauchswerte miteinander zu vergleichen, solange gleiche Energieanwendungen gemessen und rechnerisch bilanziert werden. Ist im Messwert in nennenswertem Umfang Prozessenergie enthalten, welche nicht in der theoretischen Bedarfsbilanz erfasst wird und welche nicht rechnerisch oder messtechnisch ermittelt werden kann, wird ein Abgleich entsprechend unsicher oder kann nicht durchgeführt werden.

BEISPIEL

Der Messwert für Strom einer Werkstatt enthält zu großen Anteilen Maschinen und Absauganlagen, aber nur zu einem geringen Anteil Beleuchtungs- und Pumpenstrom. In diesem Fall obliegt es dem Anwender, die sich ergebenden Daten — nach einem durchgeführten Bedarfs-Verbrauchs-Abgleich zu interpretieren. Alternativ sind Prozessenergieanwendungen sinnvoll abzuschätzen oder bestenfalls zu messen.

Realistische Bilanz mit individuellen Randbedingungen

Liegen keine Verbrauchsdaten vor (z. B. im Neubau) oder sind sie nicht verwertbar, weil die Verbrauchswerte nicht abschätzbare Anteile von Prozessenergien enthalten, kann das Verfahren dieses Beiblatt dennoch angewendet werden. Hierin wird ein Verfahren beschrieben, das Eingangsgrößen je nach Einfluss auf das Bilanzergebnis kritisch hinterfragt und die gegebenenfalls zu modifizieren sind, um eine möglichst objektive Einschätzung des Gebäudes, der Technik und seiner Nutzer zu erhalten.
Wiederum ist die sich ergebende Energiebilanz nicht Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Nachweises nach der Energieeinsparverordnung. Sie kann eine Basis für realistischere Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Beratungen, Energieanalysen usw. sein.

Um einen Abgleich der Verbrauchswerte mit den Bedarfswerten zu erreichen, wird folgende Bearbeitungsreihenfolge empfohlen.



Generell ist das Verfahren so aufgebaut, dass zunächst Kennwerte überprüft werden, die sich messtechnisch erheben lassen. Bei diesen werden Größen mit hohem Bilanzeinfluss vorrangig betrachtet.

Das Ergebnis der Energiebilanz nach DIN V 18599 nach einem erfolgten Bedarfs-Verbrauchs-Abgleich oder zumindest nach dem Erstellen einer realistischen Bilanz bei fehlenden Verbrauchsdaten kann zur Abschätzung realer Einspareffekte verwendet werden, welche sich ergeben

  • bei Betriebsoptimierung bzw. Änderung der Nutzungsparameter;
  • durch Modernisierung an der Gebäudehülle und Anlagentechnik;
  • durch den Einsatz regenerativer Energien.

Die berechneten Einsparungen können Grundlagen für Wirtschaftlichkeitsberechnungen im Rahmen der Energieberatung oder der Erstellung von Energiekonzepten sein.

Der Abgleich von Bedarfs- und Verbrauchswerten kann nicht in jedem Anwendungsfall erreicht werden. Zwei wesentliche Merkmale des Energiebedarfsverfahren begründen dies: das Bedarfsverfahren nach DIN V 18599 verwendet einen (derzeit nicht änderbaren) festen Datensatz von Klimadaten und der in der DIN V 18599 begrenzte Bilanzumfang für Prozessenergie.

Die Energiebilanz nach DIN V 18599 erfolgt anhand von Bilanzgleichungen und Kennwerten. Ein Teil der Energiekennwerte sind anhand realer Projektdaten zu verwenden, teilweise entstammen die
Energiekennwerte jedoch Simulationsprogrammen. Auf Letztere wird insbesondere bei der Beschreibung von Kühlprozessen über raumlufttechnische Anlagen, bei der Bewertung der Tageslichtnutzung für die Beleuchtung oder von Solaranlagen bzw. Wärmepumpen zurückgegriffen.

Ein Teil der in DIN V 18599 hinterlegten Kennwerte bezieht sich daher starr auf das Klima von Potsdam (stellvertretend für das „Standardklima Deutschland“). Diese Kennwerte können innerhalb eines Bedarfs-Verbrauchs-Abgleichs nicht auf andere Wetterdatensätze umgestellt werden.

Daher wäre es nötig, die Verbrauchsdaten einer Witterungskorrektur (Standort und spezifisches jährliches Wetter) zu unterziehen, um eine Vergleichbarkeit mit dem Klimadatensatz für Würzburg herzustellen. Diese Vorgehensweise entspräche der Witterungskorrektur für Heizenergieverbrauchswerte.


Bei der Bilanz raumlufttechnischer Anlagen können nur Zulufttemperaturen zwischen 14 °C und 22 °C gewählt werden. Und auch bei Zuluftfeuchte-Sollwerten kann nur zwischen einem Band von 6 g/kg bis 11 g/kg oder einem festen Betrag von 8 g/kg gewählt werden. Damit ist ein Verbrauchsabgleich für Nutzungsprofile mit abweichenden Randdaten nicht korrekt.

Die Energiebilanz der DIN V 18599 umfasst folgende thermische Energieanwendungen, die aus beliebigen Energieträgern (auch Strom) erzeugt werden können:


  • Beheizung des Gebäudes, direkt sowie über wasser- und luftgeführte Systeme;
  • Kühlung des Gebäudes, direkt sowie über wasser- und luftgeführte Systeme;
  • Trinkwarmwasserbereitung;
  • Dampfversorgung raumlufttechnischer Anlagen;
  • Wärmeerzeugung zum Zwecke der Kühlung mit Absorptionskälteanlagen.

Folgende thermische Energieaufwendungen — vor allem für Prozessenergie — sind nicht im Bilanzumfang enthalten:

  • Prozessdampf- oder Wärme- oder Stromerzeugung für Küchen, Wäschereien, Sterilisation       u. ä.;
  • Deckung von Verdunstungsenergiemengen bei Schwimmbecken;
  • Außenheizungen für Auffahrten, Dachrinnen u. ä.;
  • jegliche Produktionswärme.


Die Energiebilanz der DIN V 18599 umfasst folgende nicht-thermische Energieanwendungen, die vor allem aus Strom gedeckt werden:

  • Beleuchtung zur Erreichung der geforderten Beleuchtungsstärken;
  • Betrieb von Hilfsenergien im direkten Zusammenhang mit der Wärme-, Kälte-, Warmwasser, Luft- und Lichtversorgung der Gebäude.
Folgende nicht-thermische Energieaufwendungen — vor allem für Prozesse — sind nicht im Bilanzumfang enthalten:

  • Beleuchtung aus dekorativen Zwecken, Außen- und Sicherheitsbeleuchtung;
  • EDV-Einrichtungen (Computer, USV, Zentralrechner usw.);
  • Telekommunikationseinrichtungen und -zentralen (Telefon, Fax usw.);
  • Büroeinrichtung (Drucker, Kopierer, usw.);
  • Funk- und Fernsehtechnik (Fernseher, Video, Radio, Satelliten usw.);
  • Haushaltsgeräte (Waschmaschinen, Trockner, Spülmaschinen usw.);
  • Verpflegungsgeräte (Kaffeemaschinen, Herde, Mikrowellen, Automaten usw.);
  • Transportanlagen (Rolltreppen, Aufzüge usw.);
  • Überwachungs- und Schließanlagen;
  • Krankenhaustechnik;
  • Werbeanzeigen;
  • Betrieb von elektrischen Geräten für die Produktion.
Sofern überwiegend zum Bilanzumfang der DIN V 18599 gehörige Energiemengen gemessen werden, kann ein Bedarfs-Verbrauchs-Abgleich mit hoher Annäherung durchgeführt werden.
Ist dies nicht der Fall, weil beispielsweise größere Mengen von Prozessenergie messtechnisch erfasst, aber nicht im Bedarfskennwert bilanziert werden, ist eine Annäherung nur möglich, wenn die Prozessenergiemengen messtechnisch oder rechnerisch eingeschätzt werden. Anhaltswerte können beispielsweise den Nutzungsprofilen aus DIN V 18599 Teil 10 oder der VDI 3807 Blatt 4 entnommen werden.

©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.