Donnerstag, 17. August 2017

Unzulässigkeit eines vorzeitigen Bebauungsplans, der eine Sonderfläche für eine Freiflächenphotovoltaikanlage festsetzt

Unzulässigkeit eines vorzeitigen Bebauungsplans, der eine Sonderfläche für eine Freiflächenphotovoltaikanlage festsetzt, wegen Verstoßes gegen die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung

Leitsatz


Soweit § 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB davon spricht, dass der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des "Gemeindegebiets" nicht entgegenstehen darf, ist in Fällen, in denen einer Verbandsgemeinde das Recht zur Flächennutzungsplanung zusteht, auf das Verbandsgemeindegebiet und nicht lediglich auf das Gebiet der betroffenen Mitgliedsgemeinde abzustellen.

Eine gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB zu beachtende Absichtsbekundung kann auch in einem Grundsatzbeschluss zum Ausdruck gebracht werden.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen den von der Antragsgegnerin am 24.08.2011 beschlossenen und mit seiner Bekanntmachung am 23.12.2011 in Kraft getretenen Bebauungsplan Nr. 2 (Errichtung einer Photovoltaikanlage).
2
Die Antragstellerin ist eine im Rahmen der Gemeindegebietsreform am 01.01.2010 gebildete, zum Burgenlandkreis gehörende Verbandsgemeinde, zu deren Mitgliedsgemeinden neben vier weiteren Gemeinden (Droyßig, Kretzschau, Schnaudertal und Wetterzeube) auch die Antragsgegnerin zählt. Die Antragsgegnerin ist ihrerseits am 01.01.2010 durch die Vereinigung verschiedener Gemeinden, u.a. der Gemeinde H., entstanden. H-Gemeinde umfasst neben seinem geschlossenen Ortskern, der ungefähr 6 km südlich von Z. liegt, den Ortsteil G., bestehend aus einem Bebauungszusammenhang von Wohngrundstücken auf einer Länge von etwa 500 m beidseitig der etwa einen km westlich von H. verlaufenden Bundesstraße B 2.
3
Das Plangebiet des angefochtenen Bebauungsplans erstreckt sich über eine Ackerfläche von etwa 500 m in Nord-Süd-Richtung und im Mittel etwa 125 m in Ost-West-Richtung (Grundstücke der Gemarkung H., Flur A, Flurstücke 28/16 und 28/19) und wird im Norden durch die Landesstraße L 195, im Osten durch eine Waldfläche sowie im Westen und Süden durch die Ortslage G., im Westen zudem teilweise durch die Bundesstraße B 2 umgrenzt. Als Art der baulichen Nutzung setzt der Plan auf dem größten Teil seines Geltungsbereichs ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Solar-Photovoltaikanlage“ fest.
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Dem Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zugrunde:
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Am 27.10.2009 beschloss die damalige Gemeinde H. die Aufstellung des Bebauungsplans (Beschluss Nr. 30/2009). Nach der mit Beginn des Jahres 2010 in Kraft getretenen Gemeindeneugliederung setzte die Antragsgegnerin das Verfahren fort, führte das Auslegungs- und Beteiligungsverfahren durch und beschloss den Plan am 14.12.2010 als Satzung.
6
Am 15.12.2010 fasste der Verbandsgemeinderat der Antragstellerin einen „Grundsatzbeschluss zu den Rahmenbedingungen der künftigen Flächennutzungsplanung in Bezug auf die Ausweisung von Sondergebieten für Freiflächenphotovoltaikanlagen“. Der Beschluss hat folgenden Inhalt:
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„Der Verbandsgemeinderat der Verbandsgemeinde C. beschließt, dass folgende Rahmenbedingungen bei der Ausweisung von Freiflächenphotovoltaikanlagen durch das beauftragte Planungsbüro bei der Ausweisung von Sondergebieten für Freiflächenphotovoltaikanlagen zu berücksichtigen sind:
8
Vorrangig können Sondergebiete für Freiflächenphotovoltaikanlagen auf geeigneten Altlastenverdachtsflächen ausgewiesen werden. In gleichem Maße soll die Ausweisung von Sondergebieten für Freiflächenphotovoltaikanlagen auf Konversionsflächen zulässig sein.“
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Zur Begründung führte die Antragstellerin aus: Da die ehemalige Gemeinde H. keinen Flächennutzungsplan aufgestellt habe, habe nach der erfolgten Gemeindegebietsreform auch keine Überleitung eines solchen Plans erfolgen können und obliege es nunmehr ihr als Verbandsgemeinde, einen auch das Gebiet der Antragsgegnerin umfassenden Flächennutzungsplan aufzustellen. Um Aussagen darüber treffen zu können, ob der von der Antragsgegnerin aufgestellte Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebietes (hier der Verbandsgemeinde) entspreche oder ihr entgegenstehe, sei es erforderlich, Rahmenbedingungen der künftigen Flächennutzungsplanung in Bezug auf die Ausweisung von Sondergebieten für Freiflächenphotovoltaikanlagen festzulegen. Der Landesentwicklungsplan 2010 des Landes Sachsen-Anhalt formuliere unter dem Punkt 3.4 – Energie, Ziel 115, Grundsatz 84, dass Photovoltaikfreiflächenanlagen vorrangig auf bereits versiegelten oder Konversionsflächen errichtet werden sollten. Im Grundsatz 85 sei formuliert, dass die Errichtung von Photovoltaikfreiflächenanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen weitestgehend vermieden werden solle.
10
Mit Beschluss vom 27.04.2011 hob die Antragsgegnerin ihren Satzungsbeschluss vom 14.12.2010 auf und beschloss die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens zum Zwecke der Aufstellung eines überarbeiteten Plans. Dieser enthält zwar verschiedene geringfügige Änderungen wie zum Beispiel die Aufnahme einer auf § 24 Abs. 2 StrG LSA gestützten Anbaubeschränkungszone zur Landesstraße L 195 hin, hält aber an der Hauptregelung – der Festsetzung eines Sondergebiets für die Errichtung einer Photovoltaikanlage – trotz der von der Antragstellerin im genannten Grundsatzbeschluss geäußerten Bedenken fest. Im Beteiligungsverfahren wies die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.06.2011 erneut darauf hin, dass auch der überarbeitete Plan die Errichtung einer Photovoltaikanlage nicht auf einer Altlastenverdachts- oder Konversionsfläche, sondern auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche vorsehe und damit ihrem Grundsatzbeschluss vom 15.12.2010 widerspreche. Gleichwohl beschloss die Antragsgegnerin den geänderten Bebauungsplan am 24.08.2011 als Satzung. Im Abwägungsbeschluss selben Datums führte sie unter Nr. 27 zum Einwand der Antragstellerin aus, im Rahmen einer ausführlichen Alternativenprüfung auf dem gesamten Gebiet der Verbandsgemeinde sei sie zu dem Ergebnis gelangt, dass geeignete vorrangig zu beanspruchende Flächen für die Errichtung von Photovoltaikfreiflächenanlagen im Verbandsgemeindegebiet nicht vorhanden seien und damit die Inanspruchnahme landwirtschaftlich genutzter Flächen nicht zu vermeiden sei. In der Begründung zum Bebauungsplan wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Errichtung einer Photovoltaikanlage der geordneten städtebaulichen Entwicklung des Ortsteils G. nicht entgegenstehe (Bl. 8 letzter Absatz der Begründung). Die fünf Mitgliedsgemeinden der Antragstellerin seien für die Schaffung von Baurecht in den jeweiligen Ortsteilen zuständig, wobei ein Bebauungsplan lediglich der Zustimmung der Antragstellerin bedürfe (Bl. 9 Absatz 3 der Begründung).
11
Am 15.09.2011 beantragte die Antragsgegnerin beim Burgenlandkreis die Genehmigung des Bebauungsplans. Mit Schreiben vom 16.12.2011 teilte der Burgenlandkreis mit, dass die Genehmigung wegen Ablaufs der dreimonatigen Genehmigungsfrist nach § 6 Abs. 4 Satz 4 BauGB als erteilt gelte. Am 21.12.2011 fertigte der Bürgermeister der Antragsgegnerin den Bebauungsplan aus und wies im Amts- und Informationsblatt der Antragstellerin, dem „Forstkurier“ – Ausgabe Nr. 12 vom 23.12.2011 (Bl. 15) –, darauf hin, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung beschlossen habe, die Genehmigung als erteilt gelte und der Plan zu jedermanns Einsicht in den Diensträumen der Antragstellerin ausliege.
12
Am 22.05.2012 hat die Antragstellerin das Normenkontrollverfahren eingeleitet. Zur Begründung trägt sie vor:
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Der angefochtene Bebauungsplan verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Entwicklungsgebot, weil er mit der von ihr beabsichtigten Flächennutzungsplanung nicht vereinbar sei. Gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Verbandsgemeindegesetzes (VerbGemG LSA) sei ihr als Verbandsgemeinde die Flächennutzungsplanung für das Verbandsgemeindegebiet übertragen worden. Hinsichtlich der Ausweisung von Sondergebieten für Freiflächenphotovoltaikanlagen habe sie die Rahmenbedingungen der künftigen Flächennutzungsplanung mit ihrem Grundsatzbeschluss vom 15.12.2010 (Beschluss Nr. 74/2010) dahingehend festgelegt, dass solche Sondergebiete vorrangig auf Altlastenverdachtsflächen und ausnahmsweise auch auf Konversionsflächen ausgewiesen werden dürfen. Damit habe sie zugleich zum Ausdruck gebracht, dass landwirtschaftlich genutzte Flächen von Photovoltaikanlagen frei zu halten seien. Ziel dieser Rahmenplanung sei eine Erhaltung der kommunal vorherrschenden landwirtschaftlich-bäuerlichen Struktur. Diesen Einwand habe sie bereits im Rahmen des Beteiligungsverfahrens geltend gemacht (vgl. dazu Einwand Nr. 27 im Rahmen der „Zusammenstellung der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange von Mai bis Juli 2011“, GA, Bl. 21 und Beiakte B, Fach 5, Bl. 27 sowie Fach 6).
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Die Antragstellerin beantragt,
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den von der Antragsgegnerin am 24.08.2011 beschlossenen und am 23.12.2011 bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 2 – Errichtung einer Photovoltaikanlage – für unwirksam zu erklären.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
18
Zur Begründung trägt sie vor: Nach der Entwicklungsplanung des Landes und der Region sei zwar der Grundsatz zu beachten, dass für die Landwirtschaft geeignete Böden in ausreichendem Umfang zu erhalten und eine Inanspruchnahme für andere Nutzungen nur dann erfolgen solle, wenn die Verwirklichung solcher Nutzungen zur Verbesserung der Raumstruktur beitrage und für dieses Vorhaben aufgrund seiner besonderen Zweckbestimmung nicht auf andere Flächen ausgewichen werden könne (Nr. 6.8.G LEP-LSA). Zugleich solle aber die Nutzung regenerativer und CO²-neutraler Energieträger und Energieumwandlungstechnologien wie Photovoltaik gefördert und die Möglichkeiten für den Einsatz erneuerbarer Energien ausgeschöpft werden (Nr. 6.10.G LEP-LSA). Mit diesen Grundsätzen stehe es im Einklang, dass sie als Sondergebiet für die Errichtung einer Photovoltaikanlage auf die streitgegenständliche landwirtschaftliche Fläche zurückgegriffen habe. Denn in ihrem Gemeindegebiet seien keine Altlastenverdachts- oder Konversionsflächen vorhanden, so dass sie dem Grundsatz der Förderung erneuerbarer Energien nur dadurch habe Rechnung tragen können, dass sie ausnahmsweise auf eine landwirtschaftliche Fläche zurückgegriffen habe. Ein Flächennutzungsplan, der dem entgegenstehe, sei schon deshalb nicht vorhanden, weil die Antragstellerin noch keinen Flächennutzungsplan aufgestellt habe. Rechtswidrig sei ihr Bebauungsplan auch nicht deshalb, weil er dem Grundsatzbeschluss der Antragstellerin vom 15.12.2010 widerspreche. Dieser Grundsatzbeschluss könne nicht als Maßstab für die rechtliche Überprüfung ihres Bebauungsplans herangezogen werden, weil er seinerseits nicht mit den landesplanerischen Grundsätzen vereinbar sei. Die Bestimmung, dass Photovoltaikanlagen ausschließlich auf Altlastenverdachts- und Konversionsflächen errichtet werden dürften, erkläre landwirtschaftliche Flächen zu Tabuflächen, was mit den genannten landesplanerischen Grundsätzen nicht vereinbar und im Übrigen auch als unzulässige Verhinderungsplanung zu werten sei.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 10 Abs. 1 BauGB als Normenkontrollklage statthafte Antrag hat Erfolg.
21
Er ist zulässig. Die Antragstellerin kann insbesondere geltend machen, durch den Bebauungsplan in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Da ihr als Verbandsgemeinde gemäß § 203 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Verbandsgemeindegesetzes (VerbGemG LSA) die Flächennutzungsplanung übertragen worden ist, besteht die Möglichkeit, dass sie durch den angefochtenen Bebauungsplan in dem ihr zustehenden Planungsrecht verletzt wird. Die Antragstellerin hat den Antrag auch innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Der angefochtene Bebauungsplan trat am 23.12.2011 in Kraft. Der Antrag auf Normenkontrolle ist am 22.05.2012 beim erkennenden Gericht eingegangen.
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Der Antrag ist auch begründet.
23
Der angefochtene Bebauungsplan ist rechtswidrig, weil er gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstößt. Nach dieser Vorschrift sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Daran fehlt es hier schon deshalb, weil für das Gebiet der Antragsgegnerin bislang kein Flächennutzungsplan vorliegt. Die vormalige Gemeinde H. hatte keinen Flächennutzungsplan aufgestellt. Die nunmehrige Verbandsgemeinde – die Antragstellerin – hat mit der Flächennutzungsplanung erst begonnen. Von dem Erfordernis, den Bebauungsplan aus einem – vorhandenen – Flächennutzungsplan zu entwickeln, ist die Antragsgegnerin auch nicht deshalb entbunden, weil sie den Bebauungsplan – worauf sie in ihrer Planbegründung ausdrücklich hingewiesen hat (vgl. dort Bl. 8 Abs. 2 am Ende) – als vorzeitigen Bebauungsplan im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB aufgestellt hat. Nach dieser Vorschrift kann ein Bebauungsplan aufgestellt, geändert, ergänzt oder aufgehoben werden, bevor der Flächennutzungsplan aufgestellt ist, wenn dringende Gründe es erfordern und wenn der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets nicht entgegenstehen wird (vorzeitiger Bebauungsplan). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
24
Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans aus dringenden Gründen erforderlich ist.
25
Ob dringende Gründe die Aufstellung eines Bebauungsplans vor Aufstellung eines Flächennutzungsplans erfordern, ist nach den konkreten städtebaulichen Erfordernissen des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei sind vor allem der Planungsgegenstand, die Gegebenheiten des Planungsraums und die städtebaulichen Entwicklungsziele der Gemeinde zu berücksichtigen. Je sicherer vorhergesagt werden kann, dass der vorzeitige Bebauungsplan mit der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, umso geringere Anforderungen sind im Einzelfall an die dringenden Gründe zu stellen (Gierke, in: Brügelmann, BauGB, 54. Lfg. März 2004, § 8 Rn. 137). Dringende Gründe liegen vor, wenn erhebliche Nachteile für die Entwicklung der Gemeinde vermieden werden sollen oder wenn ein im dringenden öffentlichen Interesse liegendes Vorhaben ermöglicht werden soll. Die Gründe für die Aufstellung eines vorzeitigen Bebauungsplans können rechtlicher oder tatsächlicher Art sein. In Betracht kommen zum Beispiel die rechtliche Verpflichtung der Gemeinde zur alsbaldigen Aufstellung eines Bebauungsplans, die Umsetzung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung, ein akuter Bedarf an Bauland oder die Abwendung drohender oder die Beseitigung bereits vorliegender städtebaulicher Missstände (Gierke, in: Brügelmann, BauGB, 54. Lfg. März 2004, § 8 Rn. 139, mit weiteren Beispielen).
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Die Antragsgegnerin hat in der Begründung des angefochtenen Bebauungsplans ausgeführt, dass sich der erforderliche dringende Grund aus den umweltpolitischen Zielen der Bundesregierung sowie des Landes Sachsen-Anhalt ergebe. Eine zeitnahe Umsetzung des Vorhabens diene nicht nur der Erhöhung des Energieaufkommens aus regenerativen Quellen, sondern sei auch entscheidend für die Wirtschaftlichkeit und Amortisierung der erfolgten Investition. Unter Umständen könne ein Abwarten auf einen rechtsgültigen Flächennutzungsplan das Vorhaben gefährden. Dagegen stehe eine zeitnahe Realisierung im allgemeinen Interesse und diene der zukünftigen Sicherung der Energieversorgung für die Wirtschaft und Bevölkerung in dieser Region (Bl. 8 Abs. 3 der Planbegründung). Ob diese Begründung tragfähig ist, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil es sich bei „den umweltpolitischen Zielen der Bundesregierung sowie des Landes Sachsen-Anhalt“ lediglich um eine allgemeine politische Zielstellung handelt, die zwar im Landesentwicklungsplan 2010 des Landes Sachsen-Anhalt (LEP-LSA 2010) auch als raumordnerischer Grundsatz formuliert sein mag. Andererseits finden sich im LEP-LSA 2010 – worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist – aber auch die Grundsätze, dass Photovoltaikfreiflächenanlagen vorrangig auf bereits versiegelten oder auf Konversionsflächen errichtet und die Errichtung auf landwirtschaftlich genutzten Freiflächen weitestgehend vermieden werden soll (Punkt 3.4 – Energie, Ziel 115, Grundsätze 84 und 85 des LEP-LSA 2010). Damit sprechen die im LEP-LSA 2010 enthaltenen raumordnerischen Grundsätze eher gegen als für die raumordnerische Erforderlichkeit des angefochtenen Bebauungsplans.
27
Die Frage, ob die Vorzeitigkeit des Bebauungsplans aus dringenden Gründen erforderlich ist, bedarf jedoch, zumal es sich insoweit ohnehin um einen nach § 214 Abs. 2 Nr. 1 BauGB für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlichen Gesichtspunkt handelt, keiner Vertiefung. Jedenfalls fehlt es auch deshalb an den Voraussetzungen für den Erlass eines vorzeitigen Bebauungsplans, weil davon auszugehen ist, dass dieser Plan entgegen § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets entgegenstehen wird. Für diese – zweite – Voraussetzung des § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB findet die Unbeachtlichkeitsregelung des § 214 Abs. 2 Nr. 1 BauGB nach ihrem insoweit eindeutigen Wortlaut keine Anwendung (vgl. BayVGH, Urteil vom 15.01.1997 – 26 N 96.2907 – juris Rn. 18).
28
Mit dem Gebot, dass der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung nicht entgegenstehen darf, verlangt die Vorschrift – gewissermaßen als Rest der sich aus dem Entwicklungsgebot ergebenden Anforderungen – eine gewisse Einbettung des vorzeitigen Bebauungsplans in die zum Zeitpunkt seiner Aufstellung vorhandenen Vorstellungen der Gemeinde von ihrer städtebaulichen Entwicklung. Der vorzeitige Bebauungsplan darf von dem vorhandenen städtebaulichen Konzept nicht grundlegend abweichen; er darf nicht selbst die Weichen für eine neue, in den bisherigen Überlegungen nicht angelegte Entwicklung stellen (BayVGH, Urteil vom 15.01.1997 – 26 N 96.2907 – juris Rn. 18). Maßgebend sind neben übergeordneten Planungsvorgaben auch die städtebaulichen Absichten der Gemeinde für das gesamte Gemeindegebiet, soweit sie in Beschlüssen der Vertretungskörperschaft (Rat, Ausschüsse) ihren Ausdruck gefunden haben. Entgegenstehen können deshalb neben Zielen der Raumordnung und Landesplanung z.B. auch ein von der Gemeindevertretung beschlossener städtebaulicher Rahmenplan oder eine sonstige informelle Planung (Gierke, in: Brügelmann, BauGB, 54. Lfg. März 2004, § 8 Rn. 142; Philipp, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 8 Rn. 21; Bielenberg/Runkel, in: Ernst / Zinkahn / Bielenberg, BauGB, § 8 Rn. 25; Löhr, in: Battis / Krautzberger / Löhr, BauGB, 11. Aufl. 2009, § 8 Rn. 12 ). Soweit § 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB davon spricht, dass der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des „Gemeindegebiets“ nicht entgegenstehen darf, ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen einer Verbandsgemeinde das Recht zur Flächennutzungsplanung zusteht, auf das Verbandsgemeindegebiet und nicht lediglich auf das Gebiet der betroffenen Mitgliedsgemeinde abzustellen. Da nämlich § 8 Abs. 4 BauGB eine Ausnahme vom Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB regelt, kann Bezugspunkt für die städtebauliche Entwicklung nur das Gebiet sein, auf das sich der Flächennutzungsplan erstreckt.
29
In Anwendung dieser Grundsätze spricht Überwiegendes dafür, dass der angefochtene vorzeitige Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets, das heißt des Verbandsgebietes der Antragstellerin, entgegenstehen wird. In ihrem Grundsatzbeschluss vom 15.12.2010 hat die Antragstellerin die von ihr beabsichtigte städtebauliche Entwicklung mit hinreichender Deutlichkeit dahingehend beschrieben, dass Sondergebiete für Freiflächenphotovoltaikanlagen im Verbandsgemeindegebiet nur auf geeigneten Altlastenverdachtsflächen sowie – ersatzweise – auf Konversionsflächen und damit gerade nicht auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet werden sollen. Der Grundsatzbeschluss stellt eine gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB zu beachtende Absichtsbekundung dar, weil er als Element der informellen Planung die Absicht der Antragstellerin hinsichtlich der städtebaulichen Entwicklung hinreichend vorzeichnet. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann der Beachtlichkeit des Grundsatzbeschlusses auch nicht entgegengehalten werden, dass dieser Beschluss seinerseits den Zielen der Raumordnung und Landesplanung widerspreche. Der Beschluss steht vielmehr mit der Landesplanung in Einklang. Zwar enthält der LEP-LSA 2010 allgemeine Aussagen darüber, dass der Anteil der erneuerbaren Energien, u.a. auch der Solarenergie, ausgebaut werden soll (z.B. Punkt 3.4 [Energie] G 77). Zugleich stellt der LEP-LSA 2010 aber die gegenüber solchen allgemeinen Absichtserklärungen konkreteren Grundsätze auf, dass Photovoltaikfreiflächenanlagen vorrangig auf bereits versiegelten oder Konversionsflächen errichtet werden sollen (G 84) und auf landwirtschaftlich genutzter Fläche weitestgehend vermieden werden soll (G 85). Von einem Beschluss, der der Landesplanung zuwiderläuft und deshalb unbeachtlich sei, kann deshalb keine Rede sein.
30
Die beabsichtigte Beschränkung von Freiflächenphotovoltaikanlagen auf Altlasten- und Konversionsflächen ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht als unzulässige Verhinderungsplanung einzustufen. Eine unzulässige Verhinderungsplanung kann vorliegen, wenn eine Planung darauf abzielt, die Errichtung privilegierter Anlagen im Außenbereich im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB zu verhindern. Im Außenbereich privilegiert sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB jedoch nur Solaranlagen an oder auf den Dach- oder Außenwandflächen von Gebäuden, nicht aber Freiflächenphotovoltaikanlagen. Im Übrigen hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass sie Alternativflächen für Freiflächenanlagen, wie etwa diejenige auf einer Fläche in der Gemeinde G., im Rahmen ihrer Flächennutzungsplanung zumindest ins Auge fasst.
31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 709 Sätze 1 und 2, 708 Nr. 11 ZPO.
32
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.