Dienstag, 29. August 2017

Ungültigerklärung einer Genehmigung der Jahresabrechnung wegen fehlerhafter Heizkostenabrechnung

vorgehend AG Frankenthal, 1. Oktober 2012, Az: 3b C 470/11

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 01.10.2012, Az. 3b C 470/11, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Anfechtungsklage des Klägers werden der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 26.09.2011 zu TOP 4, insoweit damit in den Einzelabrechnungen für das Jahr 2010 die Position Heizung/Wasser Hs. 30A genehmigt worden ist, sowie der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 26.09.2011 zu TOP 6 (Entlastung der Verwalterin) für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Das weitergehende Rechtsmittel des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/3 und die Beklagten 2/3 zu tragen.

Gründe

1
Die Berufung hat in der Sache insoweit einen Teilerfolg, als auf die Anfechtungsklage des Klägers der zu TOP 4 gefasste Beschluss teilweise, nämlich betreffend die Genehmigung der Position Heizung/Wasser Hs. 30A in den Einzelabrechnungen für das Jahr 2010 (TOP 4) , sowie der zu TOP 6 gefasste Entlastungsbeschluss insgesamt für ungültig zu erklären sind.
2
Im Übrigen ist die Berufung gegen das Urteils des Amtsgerichts nicht begründet.
I.
3
Die Berufung des Klägers ist zulässig eingelegt. Insbesondere übersteigt die Beschwer des Klägers die Erwachsenheitssumme von 600 € (vgl. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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Zwar ist für die Bestimmung der Beschwer des Klägers betreffend die Anfechtung der Einzelabrechnungen 2010 und der Einzelwirtschaftspläne 2012 an der Bestimmung der Beschwer, wie mit Verfügung vom 16.01.2013 geschehen, festzuhalten.
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Der Kläger weist aber zu Recht darauf hin, dass nach der jüngeren Rspr. des BGH (Beschl. v. 31.01.2011, V ZB 236/10)bei der Bemessung des Interesses des Rechtsmittelklägers bei Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses auch der Zweck, den die Entlastung des Verwalters neben der Verzichtswirkung hat, zu berücksichtigen ist. Sie dient nämlich dazu, die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen. Insoweit wird nach der Rspr. des BGH die Beschwer für die Abweisung der Anfechtungsklage gegen den Entlastungsbeschluss pauschal in Ermangelung anderer Anhaltspunkte mit 1.000 € bemessen. Dementsprechend übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes hier 600 €.
II.
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Die Anfechtungsklagen des Klägers gegen die in der Versammlung am 26.09.2011 zu TOP 4 beschlossene Genehmigung der Einzelabrechnungen 2010 betreffend die im Anwesen M. auf die Wohnungseigentümer umgelegten Heizkosten und gegen die Entlastung der Verwalterin (TOP 6) sind zulässig und begründet.
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1. Die Anfechtungsklagen sind zulässig, insbesondere nach Einreichung der Wohnungseigentümerliste in erster Instanz auch hinreichend bestimmt, erhoben. Die bereits in erster Instanz vorzunehmende Verwalterbeiladung gem. § 48 WEG hat die Kammer in zweiter Instanz nachgeholt.
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2. Die rechtzeitig erhobenen Anfechtungsklagen sind auch aus den innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 S. 2 WEG geltend gemachten Anfechtungsgründen begründet.
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a) Die Genehmigung der Jahresabrechnung 2010 verstieß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und ist daher im Umfang der Anfechtung auf die Klage für ungültig zu erklären.
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aa) Gegenstand der Anfechtung sind die Einzelabrechnungen aller Wohnungseigentümer, insoweit auf diese in der vom Kläger beanstandeten Weise, nämlich auf Grundlage eines Verteilungsschlüssels von 70 % nach mit elektronischen Heizkostenverteilern ermitteltem Verbrauch und 30 % nach Wohnfläche die Heizkosten des Anwesens M., und zwar unter der Position Heizung/Warmwasser HS 30A, umgelegt worden sind.
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bb) Die im Beschlusswege erteilte Genehmigung dieser Position verstieß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Abrechnung betreffend die Heizkosten im Anwesen M. nicht im Einklang mit den Regelungen der Heizkostenverordnung, nämlich mit § 7 Abs. 1 S. 3 HeizkostenV, steht.
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(1) Nach der Rspr. gilt die HeizkostenV für die Verteilung der Heizkosten in Wohnungseigentümergemeinschaften unmittelbar. Nur eine Heizkostenabrechnung, die den Anforderungen der HeizkostenV genügt, entspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (BGH, Urt. v. 17.02.2012, V ZR 251/10, Rz. 9, zit. nach <juris>).
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(2) Die streitgegenständliche Abrechnung verletzt § 7 Abs. 1 S. 3 HeizkostenV, weil es auf Grundlage der sachverständigen Feststellungen erster Instanz nicht mehr der Billigkeit entsprach, den Wärmeverbrauch der Nutzer über elektronische Heizkostenverteiler zu bestimmen und die Heizkosten nach einem Schlüssel von 70 % nach Verbrauch und 30 % nach Wohnfläche umzulegen. Denn hierdurch werden die Vielnutzer in dem Anwesen M. unbillig benachteiligt.
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(2.1) Zunächst liegen die Eingangsvoraussetzungen für die Anwendung von § 7 Abs. 1 S. 3 HeizkostenV vor:
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Zwischen den Parteien ist zunächst als unstreitig anzusehen, dass die freiliegenden Heizleitungen in der Anlage überwiegend nicht gedämmt sind.
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Weiter ist auch, und insoweit entgegen der Auffassung der Beklagten, davon auszugehen, dass ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs in dem Anwesen deswegen nicht erfasst wird, und zwar obwohl nicht alle drei Anwendungsvoraussetzungen des Beiblatts Rohrwärmeabgabe der VDI-Richtlinie 2077, bei deren kumulativen Vorliegen die Durchführung der in der Richtlinie als anerkannte Regelnder Technik niedergelegten Korrekturverfahren lediglich „besonders empfohlen“ werden, gegeben sind: Der Gutachter hat insoweit nämlich nachvollziehbar ausgeführt, dass zwar für die Jahre 2009 und 2010 jeweils nur die Faktoren Verbrauchswärmeanteil und Standardabweichung, nicht aber der Anteil an Niedrigverbrauchern erfüllt sind. Es sei aber mit Blick auf den unter 0,34 liegenden Verbrauchswärmeanteil, der die anderen Faktoren dominiere, vom Vorliegen einer Rohrwärmeabgabe auszugehen, der wesentlich ist. Bereits ist diesem Fall, also beim Unterschreiten des Grenzwerts für den Verbrauchswärmeanteil von 0,34, kann bei der Kostenverteilung eine Korrektur nach VDI 2077 vorgenommen werden (so Wall, jurisPR-MietR 4/2012 Anm. 2).
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(2.2) Die Anwendung eines der Korrekturverfahren und einer Aufteilung der Heizkosten nach 50 % Verbrauch und 50 % Wohnfläche waren hier auch zwingend.
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Zwar handelt es sich, wie es das Amtsgericht zu Recht gesehen hat, bei § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkostenV um eine "Kann"-Bestimmung. Die Anwendung steht somit grundsätzlich im Ermessen des Gebäudeeigentümers bzw. der Wohnungseigentümer. Das Ermessen ist jedoch sachgerecht und nach § 315 BGB im Rahmen der Billigkeit auszuüben. Das hat zur Folge, dass in gravierenden Fällen mit einem, wie hier, besonders niedrigen Verbrauchswärmeanteil kein Wahlrecht mehr besteht. Es tritt eine "Ermessensreduzierung auf Null" ein, wenn die Kostenverteilung nach den allgemeinen Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht mehr dem billigen Ermessen entspricht. Dann ist die Anwendung der anerkannten Regeln der Technik nach § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV verbindlich (Wall, aaO).
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So liegt der Fall hier. Der Sachverständige hat, wie der Kläger mit Recht geltend macht, festgestellt, dass der Verbrauchswärmeanteil im Jahr 2010 in dem Anwesen bei lediglich 0,290 lag, und damit eine erhebliche Rohrwärmeabgabe gegeben ist. Er hat weiter festgestellt, dass auch die Standardabweichung bei 0,89 lag und dass auf den Kläger infolge der auf Grund des tatsächlich erfassten Verbrauchs Mehrkosten in Höhe von 29 % entfallen. Seine auf dieser Grundlage getroffene Einschätzung, dass angesichts dieser Werte eine nicht unerhebliche Verzerrung der für die Vielverbraucher ermittelten Heizkosten durch die Rohrwärmeabgabe auszugehen ist, ist nachvollziehbar und überzeugend. Das führt zu der rechtlichen Bewertung, dass die bisherige Abrechnungsweise, die durch eine Umlage der Heizkosten von 70 % nach Verbrauch und nur 30 % nach Wohnfläche noch zusätzlich zu einer Verschärfung der Unterschiede führt, unbillig ist.
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b) Auch der angegriffene Belastungsbeschluss ist auf die Anfechtungsklage des Klägers für ungültig zu erklären.
21
Die Entlastung der Verwaltung widerspricht nach der Rspr. (vgl. BGH, Urt. v. 04.12.2009, V ZR 44/09, Rz. 19 m.w.N.) dann einer ordnungsgemäßen Verwaltung und ist nach § 21 Abs. 4 WEG rechtswidrig, wenn Ansprüche gegen die Verwaltung in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten. Dieser Fall ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Verwaltung, wie hier, eine fehlerhafte Abrechnung vorgelegt hat (BGH, aaO).
III.
22
Die Anfechtung des Klägers gegen die Einzelwirtschaftspläne 2012 ist zulässig, aber nicht begründet.
23
1. Der Anfechtungsklage fehlt es nicht deswegen am Anfechtungsinteresse, weil zwischenzeitlich das Wirtschaftsjahr abgelaufen und auch über die Kosten des Jahres 2012 abgerechnet worden ist (Bärmann-Becker, WEG, 12. Aufl. 2013, § 28 Rn. 51 m.w.N.).
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2. Die Klage ist in der Sache nicht begründet, weil die Behauptung des Klägers, dass er infolge der Bemessung seiner Vorauszahlungen auf die Heizkosten anhand der bislang angefallen Heizkosten mit wesentlich überhöhten Vorauszahlungen belastet würde, nicht zutrifft. Zwar sind die im Wirtschaftsplan angesetzten Heizkosten für den Kläger übersetzt, weil sich - bezogen auf die reinen Kosten der Heizwärme - nach dem Gutachten anstelle von 1.200,16 € nur 930,12 € an Heizkosten ergeben. Der Unterschiedsbetrag, der sich aus dieser Differenz ergibt, ist aber in absoluten Zahlen nicht so erheblich, dass von wesentlich überhöhten Vorauszahlungen des Klägers gesprochen werden könnte. Denn auf der vom Kläger für zutreffend gehaltenen Grundlage ermittelt sich ein auf den Kläger insgesamt umzulegender Betrag von ungefähr. 1.250 €, der also lediglich eine Mehrbelastung von ca. 280 € insgesamt, und damit 23,33 pro Monat, bedeutet.
IV.
25
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erübrigt sich, weil gegen diese Entscheidung eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft ist.
26
Beschluss
27
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.