Dienstag, 29. August 2017

Beschlussanfechtung in Wohnungseigentumssachen: Ablehnung einer Erhöhung einer Instandhaltungsrücklage

AG Neustadt (Rübenberge), Urteil vom 09.02.2015, 20 C 687/14


Tenor

1. Den der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.05.2014 der Wohnungseigentümergemeinschaft ……………. in 31515 ………… zu Tagesordnungspunkt 5a) gefasste Beschluss, wonach die Erhöhung der Zuführung der Instandhaltungsrücklage abgelehnt wird, wird für ungültig erklärt.
2. Es wird festgestellt, dass die Wohnungseigentümer verpflichtet sind, die jährliche Zuführung zur Instandhaltungsrücklage rückwirkend ab 01.01.2014 (von 2,50 €/qm-Wohnfläche/p.a.) auf 7,10 €/qm-Wohnfläche/p.a. anzuheben.
3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf die Gebührenstufe bis 2.500,00 € festgesetzt.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 1500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Parteien sind Teilhaber und Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft …….. .. in ……………. . Die Rechte der Wohnungseigentümer untereinander ergeben sich aus der in der Teilungserklärung vom 03.11.1998 niedergelegten Gemeinschaftsordnung, nachdem das Stimmrecht nach Wohneinheiten verteilt ist. Ausweislich der Eigentümerliste gibt es 6 Wohnungseigentümer, wobei die Wohnungseigentümer ………….. und ……………. je zur ideellen Hälfte Eigentümer von 5 der 9 Einheiten sind. Die übrigen 4 Eigentümer besitzen je eine Einheit.
2
Mit Einladung der Verwalterin vom 30.04.2014 wurde die ordentliche Eigentümerversammlung auf den 19.05.2014 anberaumt. Einer der Tagesordnungspunkte war die Erhöhung der Zuführung zur Instandhaltungsrücklage (derzeit 2,50 €/qm-Wohnfläche/p.a., Tagesordnungspunkt 5a). In der Eigentümerversammlung vom 19.05.2014 stimmten die Wohnungseigentümer ………… und …….. als Eigentümer von 5 der 9 Einheiten als einzige gegen die Erhöhung.
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Die Klägerin trägt vor, dass die derzeitige Instandhaltungsrücklage von 2,50 €/qm-Wohnfläche/p.a. unzureichend sei. Es entspreche einer ordnungsgemäßen, dem Interesse der Gesamtzahl der Wohnungseigentümer entsprechenden Verwaltung, die Instandhaltungsrücklage auf 7,10 €/qm-Wohnfläche/p.a. anzuheben.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beklagten tragen vor, dass die Instandsetzungsrücklage von 2,50 € im Hinblick darauf, dass das Objekt aus den 90-er Jahren stamme und größere Reparaturen nicht anstünden, angemessen sei. Die Beklagten verweisen darauf, dass im Jahr 2014 für die WEG erhebliche Straßenbaubeiträge anfielen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
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Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß Tagesordnungspunkt 5a) der Wohnungseigentümerversammlung vom 19.05.2014 ist rechtswidrig. Die Ablehnung der Erhöhung der Instandhaltungsrücklage von der derzeit 2,50 €/qm/p.a. widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung gemäß § 21 Abs. 4 WEG. Die Ansammlung einer angemessenen Instandhaltungsrückstellung stellt gemäß § 21 Abs. 5 WEG eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltungen dar, zu der die Wohnungseigentümer verpflichtet sind. Eine Instandhaltungsrücklage von 2,50 €/qm/p.a. genügt ordnungsgemäßer Verwaltung nicht. Angemessen ist eine Instandhaltungsrückstellung in der Höhe, die ein verständiger und vorausschauender Eigentümer zurücklegen würde, wobei die Angemessenheit nach den konkreten Verhältnissen der jeweiligen Wohnanlage zu beurteilen ist (Staudinger-Bub, § 21 WEG, Rdz. 204). Ein Anhaltspunkt für die Höhe der Instandhaltungsrücklage sind die für den öffentlich geförderten Wohnungsbau gemäß § 28 Abs. 2, 2. BV geltenden Instandhaltungspauschalen. Danach ist für das 16 Jahre alte Objekt als Untergrenze ein Betrag von 7,10 €/qm/p.a. bei zurückliegender Bezugsfertigkeit von weniger als 22 Jahren anzusetzen. Bei mindestens 22 Jahren ist ein Betrag von 9,00 €/qm/p.a. anzusetzen. Der derzeit geltende Betrag von 2,50 €/qm/p.a. ist keineswegs angemessen und ist von dem weiten Ermessungsspielraum der Wohnungseigentümerversammlung bei der Entscheidung über die Höhe der Instandhaltungsrückstellung nicht mehr gedeckt. Dies folgt aus der erheblichen Abweichung zu der gemäß § 28 Abs. 2 der zweiten Berechnungsverordnung geltenden Instandhaltungspauschale und der Tatsache, dass die Instandhaltungsrücklage der Gemeinschaft zur Zeit lediglich 2.203,52 € beträgt. Die derzeitige Höhe der Instandhaltungsrücklage ist nicht ausreichend, um dem Zweck der Instandhaltungszurückstellung gerecht zu werden. Durch die vorsorgliche Ansammlung von Kapital ist sicherzustellen, dass künftig bei einem unvorhergesehenen plötzlich auftretenden Reparaturbedarf die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen und die Wohnanlage nicht wegen fehlender Mittel verwahrlost. Zugleich wird vermieden, dass weniger zahlungskräftige Wohnungseigentümer in finanzielle Bedrängnis geraten, aber auch der Gefahr einer ungleichen finanziellen Belastung vorgebeugt, die entstünde, wenn zahlungsunwillige oder unfähige Wohnungseigentümer für andere Wohnungseigentümer einspringen müssten. Darüber hinaus belastet es die Wohnungseigentümer finanziell weniger, die Mittel für große Reparaturen und Ersatzbeschaffungen durch kontinuierliche Zahlung verhältnismäßig geringer Beträge anzusammeln, als den Gesamtbetrag im Zeitpunkt der tatsächlichen Ausführung der Reparatur leisten zu müssen. Dies hat den Nebeneffekt, dass Erwerber von Wohnungseigentum anteilig in Höhe der angesammelten Mittel für eine Abnutzung aus der Zeit vor dem Erwerb nicht aufkommen müssen. Der Zweck der Instandhaltungsrückstellung ist nicht auf die Deckung von Kosten von sogenannten großen Instandsetzungen beschränkt; daher können grundsätzlich sämtliche Kosten der Instandhaltung oder Instandsetzung einschließlich der kleinen Reparaturen sowie      anfallende Wartungskosten aus Mitteln der Instandhaltungsrückstellung bezahlt werden (vgl. Staudinger-Bub, § 21 WEG Rz. 201). Die Beklagten können daher nicht mit dem Argument gehört werden, dass aktuell keine Reparaturen anstehen und dass im Jahr 2014 Kosten für Straßenausbaubeiträge anfielen.
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Gemäß § 21 Abs. 8 WEG kann das Gericht anstelle der Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme in einem Rechtsstreit gemäß § 43 nach billigem Ermessen treffen. Dem entspricht nach dem Vorstehenden eine Erhöhung der Instandhaltungsrücklage für Quadratmeter und Jahr auf 7,10 €/qm/p.a.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 ZPO, 49 Abs. 1 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die übrigen Eigentümer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben, weil die Klägerin in vollem Umfang obsiegt hat. Dagegen besteht keine Veranlassung, den beklagten Wohnungseigentümern Ahrens und Meier allein die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
14
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 49 a GKG und entspricht dem hälftigen Interesse der Parteien an der Entscheidung.


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