|
|
|
Die
Klägerin begehrt von dem Beklagten die Bezahlung von Stromrechnungen in
Höhe eines Gesamtbetrages von 9.727,09 EUR für die Verbrauchs- und
Abnahmestelle K. in B. im Lieferzeitraum vom 26.04.2002 bis zum
30.06.2009. |
|
|
Das
Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im
ersten Rechtszug einschließlich der dort gestellten Anträge sowie der
getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat der Klage
stattgegeben. |
|
|
Hiergegen
richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er seinen Antrag auf
Klageabweisung weiterverfolgt. Die Klägerin verteidigt das angefochtene
Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung. Wegen des weiteren
Sach- und Streitstands im zweiten Rechtszug wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Antragstellung auf
die Sitzungsniederschrift vom 26.11.2014 (II 53). |
|
|
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. |
|
|
Zu
Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht Ansprüche der
Klägerin gemäß § 433 Abs. 2 BGB aus dem mit dem Beklagten bestehenden
Stromlieferungsvertrag auf Zahlung in Höhe von insgesamt 9.727,09 EUR
für den im Zeitraum vom 26.04.2002 bis zum 30.06.2009 an den Beklagten
gelieferten Strom bejaht. Die unstreitig entstandenen Ansprüche sind
weder verjährt noch ist die Nachforderung der Rechnungsbeträge gemäß §
18 Abs. 2 Strom GVV ausgeschlossen und ihre Geltendmachung ist auch
nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. |
|
|
1.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klägerin nicht durch § 18
Abs. 2 StromGVV (bzw. bis 07.11.2006 § 21 Abs. 2 AVBeltV) gehindert,
die geltend gemachten Stromkosten zu verlangen. |
|
|
a)
Die Vorschriften sind, was die Berufung nicht verkennt, nicht
unmittelbar anwendbar. Nach ihnen sind Nachforderungen der
Stromversorgungsunternehmen auf längstens 3 Jahre (§ 18 Abs. 2 StromGVV)
bzw. 2 Jahre (§ 21 Abs. 2 AVBeltV) beschränkt. Die Vorschriften
bestimmen, dass der zu viel oder zu wenig berechnete Betrag zu erstatten
oder nach zu entrichten ist, wenn eine Prüfung der Messeinrichtungen
eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen ergibt oder Fehler in der
Ermittlung des Rechnungsbetrags festgestellt werden. Sie tragen dem
Umstand Rechnung, dass technische Mängel oder menschliches Versagen bei
der Erfassung und Abrechnung der gelieferten Energie auch bei
sorgfältiger Kontrolle und Organisation der Verbrauchserfassung und
-abrechnung nicht zu vermeiden sind und innerhalb des auf zwei bzw. drei
Jahre beschränkten Zeitraums müssen nachberechnet werden können. Die
Beschränkung auf zwei bzw. drei Jahre gilt nur für Berechnungsfehler,
die auf fehlerhafte Messeinrichtungen, auf Ablesefehler oder auf eine
falsche kaufmännische Berechnung des Strompreises zurückzuführen sind
(BGH, NJW-RR 2004, 1352; BGH, NJW-RR 1987, 237 ff., juris Tz. 11; OLG
Düsseldorf, RdE 2009, 227 ff., juris Tz. 46). All dies war nicht der
Fall; die Abrechnungen beruhen nicht auf solchen Fehlern. |
|
|
b)
Der Beklagte kann sich auch nicht in entsprechender Anwendung der oben
genannten Vorschriften auf die darin verankerte zeitliche Beschränkung
für Nachforderungen berufen. Denn Fälle der unterbliebenen Abrechnung
fallen nicht unter diese Vorschriften. Die Beschränkung des
Nachberechnungs- und Nachforderungsrechts auf einen Zeitraum von zwei
bzw. drei Jahren basiert auf dem Gedanken des Schutzes des Vertrauens
des Kunden darin, dass die ihm auf Grund einer vorangegangenen Ablesung
erteilte Rechnung vollständig und richtig ist. Ein solches Vertrauen
kann Derjenige nicht gewonnen haben, der über einen langen Zeitraum
hinweg Energie bezieht, ohne jemals eine Rechnung von dem
Energieversorger erhalten zu haben (BGH, NJW-RR 1987, 237 ff., juris Tz.
11; OLG Düsseldorf, a.a.O., juris Tz. 50; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987,
945, 946). Denn dass der Stromlieferant nicht kostenlos liefert,
versteht sich von selbst. |
|
|
2.
Entgegen der Berufung kann der Beklagte auch nicht die Leistung gemäß
§§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1 BGB wegen Eintritts der Verjährung verweigern. |
|
|
a)
Die Ansprüche unterliegen der Regelverjährung von drei Jahren gemäß §
195 BGB. Der Lauf der Verjährung hat erst im Zeitpunkt des Zugangs der
jeweiligen Rechnungen beim Beklagten im Jahre 2009 begonnen. Maßgeblich
für den Verjährungsbeginn ist hier ausgehend von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB
der Zeitpunkt, zu welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und
notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d. h. der
Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig wird. Dabei steht der Verjährung
nicht entgegen, dass die Klägerin objektiv die Möglichkeit gehabt hätte,
die der Forderung zugrunde liegenden Stromlieferungen schon früher zu
berücksichtigen. Denn maßgebend für den Verjährungsbeginn ist nicht der
Zeitpunkt, zu dem die Klägerin die Fälligkeit durch Vorlage einer
Abrechnung hätte herbeiführen können, sondern der Zeitpunkt, an dem die
Nachforderungsansprüche fällig werden (BGH, NJW-RR 1987, 237, juris Tz.
29, 33 f.; BGH, NJW 1982, 930, 931, juris Tz. 20/25; OLG Düsseldorf, RdE
2009, 227 ff., juris Tz. 55 m.w.N.; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1987, 945,
946). Bei der Geltendmachung von Versorgungsleistungen setzt die
Fälligkeit des Anspruches jedoch voraus, dass das Versorgungsunternehmen
dem Kunden eine Rechnung erteilt, vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 StromGVV in der
Fassung vom 26.10.2006. |
|
|
Dieser
Zeitpunkt liegt hier nicht vor der Erteilung der Rechnungen im Jahre
2009. Hieraus folgt, dass das ab 01. Januar 2002 geltende, Recht
anzuwenden ist, wonach die dreijährige Verjährung des § 195 BGB Ende
2009 begonnen hat (§ 199 Abs. 1 Nr. 1/2 BGB), diese durch Zustellung des
Mahnbescheids am 14.12.2012 (I 9) gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 3
BGB) und die Forderungen demnach nicht verjährt sind. Auf die Frage der
Kenntniserlangung der Klägerin davon, dass sie den Beklagten
fälschlicher Weise nicht mehr als Kunde führte, kommt es danach nicht
an. |
|
|
b)
Entgegen der Berufung liegen keine hinreichenden Umstände für einen
vorzeitigen Verjährungsbeginn wegen eines treuwidrigen Verhaltens der
Klägerin vor. Für einen solchen vorzeitigen Verjährungsbeginn reicht es
nicht aus, wenn der Gläubiger einen Anspruch nur verspätet geltend
macht. Nach § 40 Abs. 2 StromGVV in der bis zum 11.11.2010 gültigen
Fassung (jetzt Abs. 3, vgl. bis zum 07.11.2006 § 24 Abs. 1 AVBeltV) sind
Lieferanten zwar verpflichtet, den Energieverbrauch nach ihrer Wahl
monatlich oder in anderen Zeitabschnitten, die jedoch zwölf Monate nicht
wesentlich überschreiten dürfen, abzurechnen (vgl. auch Abs. 4 dieser
Vorschrift in der Fassung vom 20.12.2012, wonach Lieferanten
sicherstellen müssen, dass der Letztverbraucher die Abrechnung nach
Absatz 3 spätestens sechs Wochen nach Beendigung des abzurechnenden
Zeitraums und die Abschlussrechnung spätestens sechs Wochen nach
Beendigung des Lieferverhältnisses erhält). Rechtsfolge eines Verstoßes
ist jedoch nicht eine entsprechende Verkürzung der Verjährung wegen
einer Treuwidrigkeit auf Seiten des Versorgers (vgl. BGH, NJW 1991, 836
f., juris Tz. 19 f.; BGH, NJW-RR 1987, 237, juris Tz. 33 f.). Ob dem
Kunden aus dem Verstoß ein Schadensersatzanspruch für den aufgrund der
Fristversäumung entstandenen Schaden erwachsen kann, bedarf hier keiner
Entscheidung. Denn einen solchen macht der Beklagte nicht geltend und
ein Schadensersatzanspruch auf Freistellung von der Forderung steht ihm
nicht zu (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 237, juris Tz. 38; OLG Düsseldorf,
NJW-RR 1987, 945, 947). |
|
|
3.
Zutreffend hat das Landgericht auch eine Verwirkung gemäß § 242 BGB
verneint. Es fehlt jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment. |
|
|
a)
Der Schuldner des Stromlieferanten kann bei objektiver Würdigung nicht
annehmen, allein deswegen, weil der Gläubiger in angemessener Frist
nicht abgerechnet habe, verzichte dieser auf Forderungen. Denn die
Gründe für das Versäumnis des Lieferanten können vielgestaltig sein. Dem
Lieferanten darf es nicht schon ohne weiteres zum Nachteil gereichen,
wenn er mit der Geltendmachung der Forderung etwa aus Kulanz oder auch
nur aus eigener Bequemlichkeit oder aus Sorglosigkeit zuwarte.
Grundsätzlich können daher die Ansprüche des Versorgungsunternehmens
nicht allein schon deswegen als verwirkt angesehen werden, weil es nicht
fristgerecht abgerechnet hat. Der Gesichtspunkt der Verwirkung ist auf
Ausnahmefälle zu beschränken. Er kann nur dann durchgreifen, wenn über
das bloße Verstreichenlassen der Abrechnungsfrist hinaus Umstände
vorliegen, die den Schluss darauf zulassen, der Lieferant wolle keine
Ansprüche mehr geltend machen (vgl. BGH, NJW 1984, 1684 f., juris Tz. 10
zur Nebenkostenabrechnung des Vermieters). |
|
|
b)
Hier hat die Klägerin nicht aufgrund besonderer Umstände dem Beklagten
gegenüber den Eindruck erweckt, das Unterlassen der Abrechnung bedeute
einen Verzicht auf einen sich bei einer solchen sich ergebenden
Anspruch. |
|
|
Der
Beklagte wusste, dass er ausschließlich mit ihr einen
Stromlieferungsvertrag geschlossen hatte. Nach seinem eigenen
Vorbringen, was sich im Übrigen von selbst verstand, war er sich auch
gerade bewusst, dass die Klägerin ihre Leistungen ihm gegenüber nicht
unentgeltlich erbrachte. Der Umstand, dass er nach seinem Vortrag (vgl. I
129) die Klägerin wiederholt auf ihren Irrtum hingewiesen und Zahlungen
angeboten hat, bis die Angelegenheit hinsichtlich seiner
Kundeneigenschaft durch sie geklärt sei, die Klägerin solche jedoch
unter Hinweis auf Buchungsschwierigkeiten abgelehnt habe, rechtfertigt
keine andere Entscheidung. Denn auch wenn sie in Kenntnis seiner
Kundeneigenschaft dennoch keine Abrechnungen erstellte und das Angebot
von (Abschlags-) Zahlungen aus buchungstechnischen Gründen zurückwies,
war dies nicht geeignet, ein Vertrauen darin zu begründen, dass sie auf
ihre nach der eigenen Auffassung des Beklagten vorhandenen Ansprüche
verzichtete. Vielmehr musste sich ihm dann geradezu aufdrängen, dass
dies wegen eines Organisationsmangels unterblieb (vgl. OLG Brandenburg,
Urteil vom 15.05.2007 - 11 U 148/06, juris Tz. 41; OLG Düsseldorf,
NJW-RR 1987, 945, 946/947). Im Übrigen hat der beweispflichtige Beklagte
für seine von der Klägerin bestrittene Behauptung, er habe sie
wiederholt telefonisch unter dem Angebot von Zahlungen auf den Irrtum
hingewiesen, keinen Beweis angeboten. Es ist nicht ersichtlich, wieso
der Senat der Behauptung des Beklagten mehr Glauben schenken soll als
dem Bestreiten der Klägerin. |
|
|
Anders,
als die Berufung meint, hat der Stromlieferer es auch nicht in der
Hand, die Fälligkeit der Rechnungen selbst zu bestimmen, ohne dass der
Verbraucher hierauf einwirken kann. Vielmehr hat dieser nach dem oben
Gesagten einen durchsetzbaren Anspruch auf Erteilung der Abrechnung und
kann so selbst die Fälligkeit herbeiführen. Unerheblich ist entgegen der
Auffassung des Beklagten auch, dass die Klägerin nach Erstellung und
Versand der Abrechnungen im Jahre 2009 noch bis zum Dezember 2012 mit
der Einleitung des Mahnverfahrens zugewartet hat. Vielmehr oblag es ihm,
nach Erhalt der Rechnungen diese zu bezahlen. Aus dem Umstand, dass die
Klägerin entgegen ihrer Ankündigung in dem Schreiben vom 28.08.2009 (AH
II, 11/13, B6) das gerichtliche Mahnverfahren nicht umgehend
eingeleitet hat, folgt nichts anderes, zumal sie in diesem Schreiben
ausdrücklich darauf hinwiesen hat, dass sie auf der Forderung besteht. |
|
|
Die
Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für
die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. |
|