Auslegung einer Vollmacht zur Veräußerung von Grundeigentum
Leitsätze:
1. Auslegung einer Vollmacht zur Veräußerung von Grundeigentum „zum beliebigen Bestimmungen“ bei unentgeltlicher Übertragung.
2. Das Grundbuchamt hat die Wirksamkeit einer
Vollmacht und den Umfang der Vertretungsmacht selbständig zu prüfen,
auch wenn der Urkundsnotar die Vollmacht für ausreichend angesehen hat.
(redaktioneller Leitsatz)
3. Grundbuchvollmachten sind nach den für
Grundbucherklärungen maßgeblichen Regeln entsprechend § 133 BGB
auszulegen, wobei jedoch zu beachten ist, dass der das
Grundbuchverfahren beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz und das
grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen der
Auslegung durch das Grundbuchamt Grenzen setzen. Die Auslegung muss zu
einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führen. Hierbei ist, wie
bei der von Grundbucheintragungen selbst, auf Wortlaut und Sinn der
Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als
nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt.Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird
die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) - Grundbuchamt -
vom 24. November 2016 mit der Maßgabe abgeändert, dass der Eintragung
der Rechtsänderung die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung des
Finanzamts entgegensteht und zur Behebung dieses Eintragungshindernisses
die gesetzte Frist verlängert wird bis 24. Februar 2017 einschließlich.
II. Von einer Kostenerhebung für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.
Gründe
I.
1
Im Grundbuch sind die Beteiligte und
deren Schwester Maria F. je zu 1/2 als Eigentümerinnen eines Grundstücks
(Waldfläche) eingetragen. Maria F. ist nach Angabe der Beteiligten am
7.12.2010 verstorben.
2
Zu notarieller Urkunde vom 1.8.2016
übertrug die Beteiligte in eigenem Namen sowie zugleich als von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreite Bevollmächtigte ihrer Schwester
die Miteigentumshälfte auf sich zu Alleineigentum. Die Auflassung wurde
erklärt, die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch von der
Veräußerin bewilligt und von der Erwerberin beantragt. Eine
Gegenleistung ist nicht zu erbringen. Bei der Beurkundung wurde in
Urschrift eine von der Veräußerin der Beteiligten am 8.1.2008 in
notariell beglaubigter Form erteilte, nicht durch den Tod des
Vollmachtgebers erlöschende Vollmacht folgenden Inhalts vorgelegt
(wörtlich),
das vorstehend näher bezeichnete
Grundeigentum zum beliebigen Bestimmungen zu veräußern, die
Vertragsbedingungen zu vereinbaren, die Auflassung zu erklären und alle
zur Durchführung des Vertrags erforderlichen und zweckmäßigen
Erklärungen und Bewilligungen abzugeben und alle hierzu erforderlichen
Rechtshandlungen vorzunehmen.
Im Zusammenhang mit der Finanzierung des
Kaufpreises durch den Erwerber darf d. Bevollmächtigte auch die
Eintragung von Grundpfandrechten bewilligen und den jeweiligen
Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen, ohne dass
eine persönliche Haftung für den Veräußerer übernommen wird.
Untervollmacht im Rahmen der Abwicklung und zum Vollzug des
Veräußerungsvertrags oder für die Bestellung von Grundpfandrechten darf
erteilt werden.
Diese Vollmacht umfasst auch die
Befugnis, einen abgeschlossenen Vertrag zu ändern, zu ergänzen oder
aufzuheben und neue Kaufverträge abzuschließen.
…
3
Auf den Eintragungsantrag hat das Grundbuchamt am 24.11.2016 folgende fristsetzende Zwischenverfügung erlassen:
4
Die Grundstücksvollmacht enthalte dem
Wortlaut nach keine Befugnis, Verfügungen im Weg der Schenkung
vorzunehmen. Vielmehr sei aufgrund ihres sonstigen Inhalts davon
auszugehen, dass die Bevollmächtigte nur befugt sei, das Grundstück mit
Gegenleistung zu verkaufen und aufzulassen. Eine etwaige Befugnis zur
Vornahme von Schenkungen wäre ausdrücklich in der Vollmacht festgelegt
worden. Wirksamkeit und Umfang der Vollmacht habe das Grundbuchamt
selbständig zu prüfen.
5
Die Bevollmächtigte vertrete die Erben,
nicht die Erblasserin, deshalb sei eine Genehmigung des Rechtsgeschäfts
durch die Erben der Veräußerin unter Vorlage entsprechender Erbnachweise
erforderlich. Außerdem fehle die Unbedenklichkeitsbescheinigung des
Finanzamts.
6
Die notariell eingelegte Beschwerde vom 2.1.2017 macht folgendes geltend:
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Es handele sich zwar nicht um eine Generalvollmacht,
wohl aber um eine Veräußerungsvollmacht. Diese sei nicht dahingehend
eingeschränkt, das sie nur zur Vornahme entgeltlicher Geschäfte
berechtige, vielmehr sei der Bevollmächtigte befugt, zu beliebigen
Bedingungen zu veräußern, damit auch unentgeltliche Übertragungen
vorzunehmen und diesbezügliche schuldrechtliche Verpflichtungen
einzugehen. Die abschließende Passage (“einen abgeschlossenen Vertrag zu
ändern, zu ergänzen oder aufzuheben und neue Kaufverträge
abzuschließen“) beinhalte wörtlich genommen nur die fehlende Befugnis,
nach Aufhebung eines Schenkungsvertrags nicht erneut einen solchen,
sondern nur einen neuen Kaufvertrag abschließen zu können. Das sei aber
wohl nicht gewollt gewesen. Vielmehr entspreche der verwendete
Vollmachtstext dem leider missglückten Muster aus der Textsammlung eines
im württembergischen Bezirksnotariat eingesetzten Programms. Es sei
anzunehmen, dass die Veräußerungsvollmacht aus einer ursprünglichen
Verkaufsvollmacht generiert und es versäumt worden sei, den Text bis zum
Ende der Vorlage anzupassen.
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Schließlich habe die Bevollmächtigte dem
beurkundenden Notar vorab erklärt, dass die Vollmachtgeberin auch die
unentgeltliche Aneignung des Miteigentumsanteils durch die
Bevollmächtigte gewollt habe, da letztere der Vollmachtgeberin jahrelang
Unterstützung gewährt habe.
9
Das Grundbuchamt hat aus den in der Zwischenverfügung angeführten Gründen nicht abgeholfen.
II.
10
Das Rechtsmittel hat im Wesentlichen Erfolg.
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1. Gegen die ergangene Zwischenverfügung
nach § 18 Abs. 1 GBO ist die unbefristete Grundbuchbeschwerde nach § 11
Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft (Demharter GBO 30. Aufl. § 71
Rn. 1). Sie ist formgerecht und nach Sachlage vom beurkundenden und dazu
nach § 15 Abs. 2 GBO befugten Notar für die Urkundsbeteiligte beim
Grundbuchamt eingelegt (§ 73 GBO; Demharter § 15 Rn. 20). Dass die
Entscheidung des Rechtspflegers über eine Abhilfe (vgl. § 75 GBO) nicht -
wie es zutreffend gewesen wäre - in Beschlussform ergangen ist (vgl.
Demharter § 75 Rn. 11) und auch nicht bekannt gegeben wurde
(Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 75 Rn. 20 mit 23), hindert den Anfall beim
Beschwerdegericht und dessen Entscheidungsbefugnis nicht (z. B. OLG
Düsseldorf FGPrax 2010, 274; zuletzt Senat vom 12.1.2017, 34 Wx 11/17).
Wird - wie hier - eine Zwischenverfügung angefochten, so bildet jede
einzelne Beanstandung eine Entscheidung i. S. v. § 71 Abs. 1 GBO
(Demharter § 77 Rn. 12).
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2. Anders als das Grundbuchamt hält der
Senat die rechtsgeschäftliche Vollmacht (§§ 164, 167 BGB) zum Nachweis
der Verfügungsbefugnis der Beteiligten für genügend. Dass ihrer
Erteilung offenbar die unzutreffende Vorstellung der Vollmachtgeberin
zugrunde lag, sie sei Alleineigentümerin des bezeichneten Grundstücks,
ist nicht erheblich. Denn Bruchteilseigentum in Form eines
Miteigentumsanteils ist dem Eigentum in diesem Sinne gleich (BGH NJW
2007, 2254 Rn. 11). Zutreffend geht das Grundbuchamt auch von der
fortbestehenden Legitimationswirkung der (transmortalen) Vollmacht aus
(dazu Senat vom 4.8.2016, 34 Wx 110/16 = FGPrax 2016, 205, und vom
31.8.2016, 34 Wx 273/16 = NJW 2016, 3381).
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a) Die Vollmacht deckt nach dem Ergebnis der gebotenen Auslegung die gegenständliche Anteilsübertragung ab.
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Das Grundbuchamt hat die Wirksamkeit
einer Vollmacht und den Umfang der Vertretungsmacht selbständig zu
prüfen, auch wenn der Urkundsnotar die Vollmacht für ausreichend
angesehen hat (z. B. Senat vom 26.9.2012, 34 Wx 258/12 juris; BayObLG
Rpfleger 1986, 216; Demharter § 19 Rn. 74.1; Schöner/Stöber
Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 3579, 3580a).
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Grundbuchvollmachten sind nach den für
Grundbucherklärungen maßgeblichen Regeln entsprechend § 133 BGB
auszulegen, wobei jedoch zu beachten ist, dass der das
Grundbuchverfahren beherrschende Bestimmtheitsgrundsatz und das
grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen der
Auslegung durch das Grundbuchamt Grenzen setzen (Demharter § 19 Rn. 28
m. w. N.). Die Auslegung muss zu einem zweifelsfreien und eindeutigen
Ergebnis führen. Hierbei ist, wie bei der von Grundbucheintragungen
selbst, auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für
einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der
Erklärung ergibt (st. Rspr.; etwa BGH FGPrax 2015, 5; BGHZ 113, 374/378;
Demharter § 19 Rn. 28 sowie Rn. 75; Hügel/Reetz V Rn. 12). Führt die
Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so ist, wenn der behauptete
Umfang der Vollmacht nicht (in urkundlicher Form, § 29 GBO) nachgewiesen
ist, von dem geringeren, eindeutig festgestellten Umfang auszugehen
(ständige Rechtspr.; BayObLG Rpfleger 1996, 332; OLG Schleswig Rpfleger
1991, 17; OLG Hamm FGPrax 2005, 240/241; Demharter § 19 Rn. 75;
Schöner/Stöber Rn. 3580a). Wegen der Beweismittelbeschränkung im
Grundbuchverfahren kann die Meinung der Bevollmächtigten zum Umfang
ihrer Vollmacht, die sie wohl aus einer Willensbekundung der
Vollmachtgeberin herleiten will, von vorneherein keine Rolle spielen.
Denn es handelt sich dabei um außerhalb der Urkunde liegende Umstände,
die nur im Rahmen eines urkundlichen Nachweises berücksichtigt werden
könnten (OLG Hamm FGPrax 2005, 240/241).
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aa) Die mit „Vollmacht“ unmittelbar nach
der Bezeichnung der Bevollmächtigten eingeleitete Passage besagt
zunächst, dass diese befugt sein soll, das bezeichnete Grundstück zu
veräußern. Sofern nicht ohnehin die Begriffswahl ausschließlich auf das
dingliche Rechtsgeschäft der Eigentumsübertragung hinweist, sind von
diesem Abschnitt jedenfalls nicht nur schuldrechtliche
Verpflichtungsgeschäfte erfasst. Denn ausdrücklich ermächtigt die
Vollmacht dazu, die Auflassung zu erklären, also das dingliche
Grundstücksgeschäft gemäß § 925 BGB vorzunehmen, ohne dass der
Bevollmächtigten ein bestimmtes Grund- oder Kausalgeschäft (§ 925 a BGB,
wie Kauf, Schenkung, Tausch) vorgeschrieben wäre. Vielmehr darf sie
„zum beliebigen Bestimmungen“ veräußern. Dass insoweit eine Vollmacht
für das Außenverhältnis betreffende dingliche Übertragungsakte (vgl.
Hügel/Reetz V Rn. 15), namentlich also für Zwecke des Grundbuchs,
erteilt werden sollte, ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass die
Abgabe von Bewilligungen (vgl. § 19 GBO) ausdrücklich neben
offensichtlich den Grundbuchvollzug betreffenden Maßnahmen im weitesten
Sinn genannt wird.
17
bb) Der anschließende Absatz behandelt
die Kaufpreisfinanzierung durch den Erwerber und die ausdrückliche
Befugnis der Bevollmächtigten, dazu auch die Eintragung von
Grundpfandrechten zu bewilligen (vgl. jüngst BGH WM 2016, 1218).
Gegenüber dem ersten Absatz werden der Bevollmächtigten erweiterte
Befugnisse für den speziellen Fall eines Grundstückskaufvertrags (§§
311b, 433 Abs. 2 BGB) im Hinblick auf die dabei häufig auftretende
Notwendigkeit der Fremdfinanzierung eingeräumt, die nicht das
Übertragungsgeschäft selbst betreffen und von einer Vollmacht zur
Grundstücksveräußerung regelmäßig nicht umfasst sind (Hügel/Reetz V Rn.
14). Die Passage steht aber umgekehrt einer Auslegung nicht entgegen,
wonach die Vollmacht insoweit nur speziell im Zusammenhang mit einem
(nämlich dem Kaufvertrag) von mehreren denkbaren Grundgeschäften -
praxisnah - erweitert wird, indessen eine Befugnis zu
Grundstücksübertragungen aufgrund anderer Kausalgeschäfte damit nicht
ausgeschlossen ist.
18
cc) Die nächstliegende Bedeutung der
weiteren (dritten) Passage („Diese Vollmacht umfasst auch die Befugnis,
…“) ergibt sich schließlich nicht schon aus deren wörtlicher
Interpretation. Denn dies hieße, dass die Bevollmächtigte an einen
zustande gekommenen beliebigen Vertrag nicht gebunden wäre, aber einen
neuen Vertrag nur als Kaufvertrag abschließen könnte. Eine solche -
durchaus überraschende - Beschränkung findet in der sonstigen
Ausgestaltung der Vollmacht an keiner weiteren Stelle auch nur
andeutungsweise einen Niederschlag. Aber selbst wörtlich genommen besagt
der fragliche Passus nicht, dass eine erste Veräußerung nur auf
kaufvertraglicher Grundlage gestattet wäre. Nächstliegend erscheint
vielmehr, dass er sich nur auf schuldrechtliche Geschäfte bezieht und
eine Erweiterung (“auch“) oder Klarstellung beinhaltet. Das ergibt sich
zum einen daraus, dass in der Aneinanderreihung abschließend kein
dingliches Geschäft, sondern ein schuldrechtlicher Vertragstyp
(“Kaufverträge“) erwähnt ist, zum anderen, dass der erste Absatz seinen
Sinn verlöre (“zum beliebigen Bestimmungen zu veräußern“), wenn die
Bevollmächtigte nur auf der Grundlage neuer Kaufverträge veräußern
dürfte.
19
b) Selbst wenn die bezeichnete Passage
als interne Beschränkung des im ersten Absatz umrissenen „weiten“
rechtlichen Dürfens zu verstehen sein sollte, so ergibt jedenfalls die
objektive Urkundenlage keine Evidenz der Vollmachtsüberschreitung und
damit des Missbrauchs (vgl. Senat vom 20.2.2013, 34 Wx 439/12 = FGPrax
2013, 111/112). Denn sie lässt sich aus den dargelegten Gründen nicht
als eindeutig gefasste interne Bindungsklausel verstehen, die das
Grundbuchamt wegen des geltenden Legalitätsprinzips zu beachten hätte
(siehe Senat vom 20.2.2013).
20
c) Hiervon nicht betroffen besteht das
vom Grundbuchamt zu Recht beanstandete weitere Eintragungshindernis -
die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts (vgl. § 22
GrEStG) - fort.
21
1. Eine Kostenentscheidung erscheint
nicht veranlasst, weil das Rechtsmittel der Beteiligten im wesentlichen
Beanstandungspunkt erfolgreich ist. Im Hinblick auf § 25 Abs. 1 GNotKG
spricht der Senat jedoch klarstellend aus, dass von einer Kostenerhebung
abzusehen ist.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.