Leitsätze:
1 Durch das Fällen eines morschen und kranken
Baumes kommt der Grundstückseigentümer seiner Verkehrssicherungspflicht
nach und beseitigt gleichzeitig einen unter die Vorschrift des § 1 Abs. 2
Nr. 2 BetrKV fallenden bestehenden „sonstigen Mangel“. Die Kosten
hierfür gehören deshalb nicht zu den umlagefähigen Betriebskosten.
Darüber hinaus handelt es sich bei solchen Kosten auch nicht um laufende
Kosten, so dass auch aus diesem Grund eine Erstattung nach § 1 Abs. 1
BetrKV nicht in Betracht kommt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch von § 2 Nr. 10 BetrKV, der unter
Berücksichtigung des § 1 Abs. 1 BetrKV auszulegen ist, werden nur die
laufend entstehende Kosten für den bestimmungsmäßigen
Grundstücksgebrauch umfasst. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Verneinung der Umlagefähigkeit von
Baumfällkosten auf den Mieter ist bei Mietverhältnissen über Wohnraum
auch deshalb gerechtfertigt, weil diesen ein soziales Mietrecht zu Grund
liegt. Dieses ist insbesondere auch durch einen Preisschutz
gekennzeichnet, der verhindern soll, dass der Mieter plötzlich und
überraschend mit für ihn nicht kalkulierbaren und vorhersehbaren
Forderungen des Vermieters konfrontiert wird. Mit diesem Grundsatz wäre
es nicht vereinbar, wenn der Mieter durch die Umlage von Kosten für das
Fällen altersschwacher Bäume unvorhersehbar mit einem nicht
unerheblichen Geldbetrag belastet werden könnte. (redaktioneller
Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die
Kläger 1.173,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz aus 537,03 € seit 07.06.2016 und aus weiteren 636,79 €
seit 01.07.2016 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 270,13 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung
in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags
abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe
von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.173,82 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Umlegbarkeit von Baumfällkosten.
2
Zwischen den Klägern und der Beklagten
besteht ein Wohnraummietverhältnis, wobei die Kläger Mieter und die
Beklagte Vermieterin ist.
3
Im Rahmen der mietvertraglichen
Vereinbarung haben die Streitparteien die Umlage der Betriebskosten
gemäß Betriebskostenverordnung vereinbart.
4
Mit Abrechnung vom 30.05.2016 hat die
Beklagten die Betriebskosten für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum
31.12.2015 abgerechnet. Hierbei hat die Beklagte Baumfällkosten in Hohe
von insgesamt 2.225,50 € in Ansatz gebracht, wobei auf die Kläger
anteilig umgerechnet auf die Wohnfläche 1.173,82 € entfielen.
5
Hierbei wurde ein Teilbetrag in Höhe
von 537,03 € seitens der Beklagten mit einem ansonsten vorhanden
Restguthaben aus Vorauszahlungen verrechnet und ein weiterer Teilbetrag
in Höhe von 636,79 € mit dem Mietzins für Juli 2016 zum 01.07.2016 €
aufgrund bestehender Einzugsermächtigung vom Konto der Kläger abgebucht.
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Die Baumfällkosten, welche der Höhe
nach unstreitig sind, wurden von der Beklagten für das Fällen einer ca.
65 Jahre alten Esche aufgewendet, wobei diese Arbeiten durch die
Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen bei gleichzeitiger Vornahme einer
Ersatzbepflanzung auf Grund der bestehenden Baumschutzverordnung
vorgeschrieben wurde.
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Nachdem die Kläger der Einstellung der
Baumfällkosten in die Betriebskostenabrechnung widersprochen haben, hat
die Beklagte mit Schreiben vom 07.06.2016 ihren Rechtsstandpunkt
abschließend dargelegt und dabei die Auffassung vertreten, dass es sich
um umlegbare Kosten der Gartenpflege nach § 2 Nr. 10 der
Betriebskostenverordnung handeln würde.
8
Die Kläger hingegen vertreten die
Auffassung, dass die Kosten für das Fällen eines 65 Jahre alten Baumes
keine laufenden Kosten seien, sondern vielmehr nicht umlagefähige
Instandhaltungskosten nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 der
Betriebskostenverordnung.
9
Die Kläger beantragen,
Die Beklagte wird verurteilt, an die
Kläger 1.173,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit 07.06.2016 sowie weitere vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten In Höhe von 338,56 € zu bezahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
12
Die zulässige Klage ist nahezu vollumfänglich begründet.
13
Den Klägern steht ein Anspruch auf
Rückzahlung von den seitens der Beklagten in Rechnung gestellten Kosten
für Baumfällarbeiten in Höhe von 1.173,82 € aus ungerechtfertigter
Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu, da es sich hierbei
nicht um umlagefähige Kosten der Gartenpflege i.S.d. § 2 Nr. 10 BetrKV
handelt.
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Die Frage der Umlagefähigkeit von Kosten
für Baumfällarbeiten wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich
beurteilt, wobei eine obergerichtliche Entscheidung betreffend die
Thematik bisher nicht existiert.
15
Das Gericht vertritt dabei der Auffassung
an, dass im konkreten Fall diese Kosten nicht umlagefähig sind und
lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:
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Gem. § 1 Abs. 1 BetrKV unterfallen u.a.
solche Kosten den Betriebskosten, die dem Eigentümer durch das Eigentum
am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Grundstücks
laufend entstehen. Nicht zu den Betriebskosten gehören gem. § 1 Abs. 2
Nr. 2 BetrKV die Kosten, die während der Nutzungsdauer zur Erhaltung des
bestimmungsmäßigen Gebrauchs aufgewendet werden müssen, um die durch
Abnutzung, Alterung und Witterungseinwirkung entstehenden baulichen oder
sonstigen Mängel ordnungsgemäß zu beseitigen, sog. Instandhaltungs- und
Instandsetzungskosten.
17
Durch das Fällen eines morschen und
kranken Baumes beabsichtigt der Grundstückseigentümer, seiner
Verkehrssicherungspflicht nachzukommen, wobei gleichzeitig ein unter die
Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrKV bestehender „sonstiger Mangel“
beseitigt werden soll. Darüber hinaus regelt § 1 Abs. 1 BetrKV, dass nur
die „laufend“ entstehenden Kosten den umlagefähigen Betriebskosten
zuzurechnen sind. Gerade um solche handelt es sich bei den Kosten für
das Baumfällen indes nicht Hierfür spricht bereits die regelmäßig lange
Lebensdauer von Bäumen, die derjenigen von Gebäuden kaum nachsteht, was
sich auch im vorliegenden Fall beim Fällen eines ca. 65 Jahre alten
Baumes deutlich zeigt.
18
Hieran ändert sich auch im Ergebnis durch
die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Nr. 10 BetrKV nichts, wonach die Kosten
der Pflege gärtnerisch angelegter Flächen den Betriebskosten
unterfallen. Denn § 2 Nr. 10 BetrKV ist nicht allein anhand seines
Wortlauts, sondern insbesondere auch im Zusammenhang mit § 1 BetrKV
auszulegen. Danach kann es sich bei den Pflegekosten i.S. des § 2 Nr. 10
BetrKV lediglich um laufend entstehende Kosten für den
bestimmungsmäßigen Grundstücksgebrauch handeln. § 2 Nr. 10 BetrKV stellt
sich insoweit nämlich lediglich als Konkretisierung von § 1 Abs. 1
BetrKV dar. Da Baumfällkosten aber offenkundig nicht laufend entstehen,
lässt sich für deren Umlagefähigkeit auch nach § 2 Nr. 10 BetrKV
folglich kein von § 1 BetrKV abweichendes Ergebnis herleiten.
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Die Verneinung der Umlagefähigkeit von
Baumfällkosten auf den Mieter ist schließlich auch aus einem weiteren
Grund gerechtfertigt Den Mietverhältnissen über Wohnraum, denen die
Rechtsstreitigkeiten über die Umlagefähigkeit ganz überwiegend
entspringen, liegt ein soziales Mietrecht zu Grunde. Dieses ist nicht
nur durch den Bestandsschutz, sondern insbesondere auch den Preisschutz
gekennzeichnet, der verhindern will, dass der Mieter plötzlich und
überraschend mit für ihn nicht kalkulierbaren und vorhersehbaren
Forderungen des Vermieters überzogen wird. Mit diesem Grundsatz ist es
nicht vereinbar, wenn dem Vermieter zum Schütze des Mieters zwar für
Mieterhöhungen enge Grenzen gesetzt sind, andererseits aber der
Vermieter durch die Umlage von Kosten für das Fällen altersschwacher
Bäume die Mieter unvorhersehbar mit einem nicht unerheblichen Geldbetrag
belastet, der vorliegend die Höhe einer Monatsmiete sogar noch
überschreitet.
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Darüber hinaus steht den Klägern ein
Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe
von 270,13 € unter Verzugsgesichtspunkten zu. Die Beklagte befand sich
mit endgültiger Ablehnung der streitgegenständlichen
Rückzahlungsforderung durch Schreiben vom 07.06.2015 ab diesem Zeitpunkt
in Verzug mit der Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 537,03 €
(Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung
für das Jahr 2015) und seit 01.07.2016 nach Einziehung eines weiteren
Betrages in Höhe von 636,79 € auch mit diesem Teil der geltend gemachten
Forderung.
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Den Klägern stehen daher die für seinen
Prozessbevollmächtigten getätigten Aufwendungen, namentlich die
Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG zzgl. Post- und
Telekommunikationspauschale sowie Mehrwertsteuer, erhöht um die Gebühr
nach Ziffer 1008 VV RVG zu.
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Allerdings hält das Gericht lediglich den
Ansatz einer 1,5 Geschäftsgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG für
angemessen. Der Ansatz einer noch höheren 2,0 Geschäftsgebühr ist
vorliegend nicht angezeigt Zuzugeben ist dabei den Ausführungen des
Klägervertreters, dass die Angelegenheit insoweit als rechtlich
schwierig einzustufen war, weil es für die Frage der Umlegbarkeit von
Kosten für Baumfällarbeiten keine einheitliche obergerichtliche
Rechtsprechung gibt und diesbezüglich erkennbar umfangreiche
Recherchearbeiten des Klägervertreters erfolgten.
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Andererseits beschränkt sich die vorliegende Angelegenheit, auf lediglich einen einzelnen Streitpunkt im Rahmen einer Nebenkostenabrechnung
und ist daher was, den Umfang betrifft, eher im unterdurchschnittlichen
Bereich anzusiedeln, sodass lediglich eine geringfügige Erhöhung der
1,3 Mittelgebühr nach Ziffer 2300 VV RVG vertretbar erscheint.
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Ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer
nach § 14 Abs. 2 RVG musste hierbei nicht eingeholt werden, da die
Vorschrift lediglich im Rechtsstreit zwischen Rechtsanwalt und eigenem
Mandanten Anwendung findet.
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Die Zinsforderung ergibt sich ebenfalls
unter Verzugsgesichtspunkten, wobei hinsichtlich eines Teilbetrags in
Höhe von 636,79 € Verzug erst mit dessen Abbuchung am 01.07.2016
eintrat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92
Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.