Freitag, 7. Juli 2017

Belastung des Mieters mit überflüssigen Kosten / Müllabfuhr

Die Belastung des Mieters mit überflüssigen Kosten stellt eine Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB dar, die den Vermieter zum Schadenersatz verpflichtet.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 07. März 2008 verkündete Urteil des Amtsgerichts Aachen - 84 C 263/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Den Klägern steht der klageweise geltend gemachte Betrag von 1.107,87 € aus §§ 280 Abs. 1, 249535BGB gegen die Beklagte zu, weil die Beklagte gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen und daher den Klägern die angefallenen erhöhten Kosten zu erstatten hat.
Die Belastung des Mieters mit überflüssigen Kosten stellt eine Vertragsverletzung gem. § 280 Abs. 1 BGB dar, die den Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch geht auf Freihaltung von den unnötigen Kosten. Die Betriebskostenabrechnung ist daher um die unwirtschaftlichen Kosten zu bereinigen, was sowohl überflüssige Betriebskostenarten als auch diejenigen Kosten aus den ansatzfähigen Kostenarten betrifft, die bei sorgfältigem, wirtschaftlichem Vorgehen nicht angefallen wären. Dasselbe gilt, wenn die Mehrkosten nicht auf einem Verhalten des Vermieters beruhen, sondern auf den Zustand des Gebäudes, seiner Anlagen und Einrichtungen zurückzuführen sind. Entsprechend hat der Vermieter bereits (im Rahmen von Betriebskostenvorauszahlungen) geleistete Beträge auf die überhöhten Kosten zurückzuzahlen.
Nach Auffassung der Kammer ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte gegen das Gebot der sparsamen Wirtschaftsführung verstoßen hat.
Dieses Wirtschaftlichkeitsgebot besagt, dass bei der Abrechnung nur die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigten Kosten auf den Mieter umgelegt werden dürfen. Das bedeutet, dass nur solche Kosten abgerechnet werden dürfen, die für eine ordnungsgemäße und sparsame Bewirtschaftung erforderlich waren (AG Aachen, Urteil vom 06.12.2006; 14 C 204/06). Der Vermieter muss sich bei der Bewirtschaftung seines Anwesens so verhalten, wie sich ein wirtschaftlich denkender Eigentümer verhalten würde, wenn die Möglichkeit zur Kostenumlage nicht bestünde (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete, 2. AL, § 556 Rn. 104). Sparsame Wirtschaftsführung - wie sie vom Gesetzgeber jetzt in § 556 Abs. 3 und § 560 Abs. 5 BGB zusätzlich im Gesetz festgeschrieben wurde - bedeutet auch, dass der Vermieter nicht eine unangemessen hohe Müllkapazität vorhalten kann (AG Köln WuM 2007, 409). Der Vermieter hat im Hinblick auf die Müllabfuhrkosten das Gebot der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Kosten für einen zu großen Restmüllcontainer oder eine zu häufige Leerung können nicht dem Mieter auferlegt werden (AG Münster WuM 2001, 46). Dementsprechend hat der Vermieter die Größe der Müllbehälter wie auch die Häufigkeit der Leerung an den tatsächlichen Bedarf anzupassen. Auch kann die Verpflichtung bestehen, Nutzung der Müllbehälter durch unbefugte Dritte zu verhindern.
Die vorliegend insgesamt entstandenen und nach Wohnfläche auf die Mieter verteilten Müllkosten sind außergewöhnlich hoch und zwar in einer derartigen Weise, dass dies auffällig ist. Bereits diese außergewöhnliche Höhe der absoluten und relativen Müllkosten spricht in ganz erheblichen Maße dafür, dass ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vorliegt, dass also hier unnötige oder unwirtschaftliche Kosten vorliegen, die deshalb nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen.
Nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes werden den Mietern nämlich bundesweit im Durchschnitt monatliche Müllkosten je Quadratmeter von 0,18 € im Jahr 2007 (geringfügige Abweichungen im Cent-Bereich in den Vorjahren nach unten) in Rechnung gestellt. Vorliegend wurde den Klägern für das Jahr 2004 unstreitig ein Betrag von monatlich 0,86 € je Quadratmeter in Rechnung gestellt, für die beiden Folgejahre sind die Kosten geringfügig (auf 0,82 € bzw. 0,73 €) gesunken. Auch wenn nicht definitiv auszuschließen ist, dass aus besonderen Gründen auch die Berechnung eines solchen Betrages noch vertretbar sein kann, hat jedenfalls der Vermieter - hier die Beklagte - diese besonderen Gründe für die - gegenüber dem Durchschnitt - hier um fast 300 % - erhöhten Kosten nachvollziehbar darzulegen.
Aufgrund des krassen Auseinanderfallens der hier geltend gemachten Kosten und den Angaben im Betriebskostenspiegel bedarf es nach Auffassung der Kammer auch weiterer Darlegungen durch die Kläger (im Hinblick auf Personenzahl, Zahl der Wohnungen, Größe der Behälter, Leerungsturnus, etc.) nicht.
Der Vermieter ist nämlich beweispflichtig dafür, dass der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gewahrt ist (vgl. AG Leipzig WuM 2003, 452). Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Kläger Gründe für die Erhöhung der Kosten (Überdimensionierung der Müllbehälter; Mülltourismus durch unbefugte Dritte) vorgetragen haben. Hiernach hätte es der Beklagten oblegen, ihrerseits vorzutragen, inwiefern trotz der erhöhten für die Müllentsorgung von ihr akzeptierten und an die Stadt V gezahlten Kosten unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Objekts das Wirtschaftlichkeitsgebot gewahrt wird. Konkrete Umstände hat die Beklagte hierzu jedoch nicht vorgetragen, so dass auch auf ihren Vortrag dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen ist. Der Vortrag der Beklagten, die Kosten entsprächen dem Wirtschaftlichkeitsgebot, der durch Sachverständigengutachten bewiesen werden soll, ist für einen ordnungsgemäßen Beweisantritt nicht ausreichend. Auch die pauschale Behauptung, der Grenzwert von 0,22 € sei zu niedrig, ist unbeachtlich, zumal der Entscheidung des Amtsgerichts ein Betrag von 0,36 € je qm/Monat zugrunde liegt.
Dem steht auch die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2007, 1242) nicht entgegen. In der zur Frage des "Wärmecontracting" ergangene Entscheidung hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass die Mieter einen Verstoß des Vermieters gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht ausreichend dargelegt hätten. Dabei hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich die - weit verbreitete - Auffassung zitiert, nach der der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass er den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz beachtet hat (vgl. BGH a.a.O. m.w.N.). Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof auch nicht in Frage gestellt, sondern lediglich für den konkreten Fall angeführt, der Mieter habe zunächst konkret vorzutragen, dass Heizwärme und Warmwasser in den der Abrechnung zu Grunde liegenden Zeiträumen von einem anderen Wärmecontractor preiswerter angeboten wurden. Diese Fallkonstellation ist aber mit der hier vorliegenden nicht vergleichbar, weil nicht die Modalitäten eines Versorgungsvertrages in Frage gestellt werden, sondern die grundsätzliche Notwendigkeit des Vorhandenseins bestimmter Kapazitäten zur Müllentsorgung. Insoweit können sich die Kläger in Erleichterung ihrer Darlegungslast auf den Betriebskostenspiegel berufen.
Vor diesem Hintergrund hat aber die Beklagte, die darzulegen und zu beweisen hat, dass sie das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet hat, nicht ansatzweise dargelegt, dass die hier abzurechnenden Müllkosten trotz ihrer außergewöhnlichen Höhe noch als wirtschaftliche und sinnvolle Ausgaben anzusehen waren. Die Beklagte hat nämlich nicht dazu vorgetragen, wie viele Wohneinheiten in dem Objekt vorhanden sind und aus welchen Gründen ein überdurchschnittliches Müllaufkommen, dass die Größe der Müllgefäße rechtfertigen könnte, vorgelegen hat.
Die Beklagte hat auch schuldhaft ihre Pflichten verletzt; jedenfalls ist ihr die Darlegung fehlenden Verschuldens nicht gelungen. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt der Schadensersatzanspruch des Mieters Verschulden des Vermieters voraus. Hat der Mieter mit spezifizierten Einwänden dargetan, dass der Vermieter objektiv gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz verstoßen hat, kann grundsätzlich auf eine Pflichtverletzung des Vermieters geschlossen werden, so dass er zur Abwehr des Anspruchs gehalten ist, sich zu entlasten. Das Entlastungserfordernis bezieht sich auch auf das Verschulden von Erfüllungsgehilfen. Der Vermieter muss es sich daher z. B. zurechnen lassen, wenn der Hauswart ständig überzählige Müllgefäße nicht zur Kenntnis nimmt und die gebotene Information der Hausverwaltung unterlässt (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. AL, § 560, Rn. 114). Dass der Vermieter Hinweisen der Mieter auf überflüssige Kosten nachgehen muss, versteht sich im Grundsatz von selbst. Zuweilen reagiert er gleichwohl überhaupt nicht oder erst nach langer Zeit auf derartige Informationen. Ob dies ohne weiteres als Verschulden gewertet werden kann, hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend haben die Kläger über mehrere Jahre die Müllkosten beanstandet. Darüber hinaus ist die Problematik in dem Parallelprozess seit 2005 thematisiert worden, ohne dass die Beklagte letztlich Maßnahmen ergriffen hätte.
Mangels näherer Angaben, die die Ermittlung einer angemessenen Müllkapazität ermöglicht hätten, hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise einen von den Klägern zu tragenden Anteil der Müllkosten in Abzug gebracht. Nachdem die Kläger selbst von ihnen zu tragende Kosten im vorliegenden Rechtsstreit ermittelt haben, die einem - über dem Durchschnitt liegenden - Betrag von 0,36 € je qm monatlich entsprechen, ist die Entscheidung nicht zu beanstanden.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280286288 BGB.
IV.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 708 Nr. 10, 711713ZPO.
Streitwert: bis 1.200,00 €.
X1 X2 X3


©  Marc Husmann   Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.