Freitag, 3. November 2017

Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch von einer Windkraftanlage ausgehende Geräusche

Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch von einer Windkraftanlage ausgehende Geräusche


VGH München, Beschluss v. 28.09.2017 – 22 CS 17.1506

Bewohner sind wegen der in ihrem Fall vorliegenden erheblichen Entfernung von etwa 1.550 m zu einer Windkraftanlage nicht von rechtserheblichen Belästigungen durch Infraschall betroffen. ( (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)


Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Landratsamt N. - Bad W. genehmigte der Beigeladenen mit Bescheid vom 30. Dezember 2016 die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von je 140 m und einem Rotordurchmesser von 112,5 m auf zwei Grundstücken der Gemarkung Traishöchstädt in der Gemeinde Dachsbach. Das Anwesen der Antragsteller liegt nach deren eigenen Angaben in einem Abstand von etwa 1.550 m zur nächstgelegenen streitgegenständlichen Windkraftanlage. Bauplanungsrechtliche Grundlage für die Genehmigung der beiden Windkraftanlagen war ein vorhabenbezogener Bebauungsplan der Standortgemeinde. Gegen die Genehmigung erhoben die Antragsteller am 29. Januar 2017 Klage und stellten mit Schriftsatz vom 1. März 2017 einen Eilantrag mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 30. Dezember 2016 herzustellen. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Sofortvollzug weder im öffentlichen Interesse noch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen liege. Der Genehmigungsbescheid verletze die Antragsteller in ihren Rechten. Aufgrund der Entfernung zur nächstgelegenen Windkraftanlage mit ca. 1550 m zum Wohnhaus der Antragsteller sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass erhebliche unzumutbare Belastungen auf diese zukämen. Bei allen Anlagen seien bis in Entfernungen von 3 bis 5 km regelmäßig ein störender dauernd an- und abschwellender Heulton und ein schlagartiges Geräusch wahrzunehmen. Auch sei davon auszugehen, dass die in der TA Lärm angegebenen Höchstwerte überschritten würden. Bei der angestellten Lärmprognose seien Vorbelastungen zu niedrig angesetzt oder nicht berücksichtigt worden, Zuschläge für „alle Eventualitäten“ seien zu niedrig angesetzt, es seien keine Zuschläge für eventuelle Ton- und Impulshaltigkeit vergeben worden.
2
Eine ordnungsgemäß erstellte Dreifachvermessung des streitgegenständlichen Anlagentyps liege nicht vor. Die Prognosenorm DIN ISO 9613-2 berücksichtige nur punktförmige niedrig liegende Schallquellen und sei damit auf Windkraftanlagen nicht anwendbar. Darauf wiesen namhafte Kritiker schon seit längerer Zeit hin. Die LAI habe deshalb eine Interimsnorm erstellt. Die Anwendung dieser Norm hätte zur Folge, dass ein Mindestabstand von 2 km einzuhalten wäre. Auch seien Fremdgeräusche, also alle Geräusche, die nicht von der beurteilten Anlage ausgingen, in der Schallprognose zu berücksichtigen gewesen. Dies sei vorliegend ohne jede Prüfung geblieben. Das Schallgutachten setze sich auch nicht mit dem Thema tieffrequenten Schalls auseinander. Die DIN 45680 enthalte hierzu Neuerungen.
3
Die streitgegenständlichen Anlagen würden zudem massiv Infraschall abstrahlen, der eine hohe Gefahr für Anwohner bedeute. Die Grenze zur gesundheitlichen Schädigung der Anwohner werde überschritten. Es liege eine wissenschaftliche Studie des Instituts für Hirnforschung und angewandte Technologie GmbH vom 28. Oktober 2005 vor. Neueste weitere Studien bewiesen, dass durch Windkraftanlagen Infraschall erzeugt werde. Es sei nachgewiesen, dass durch Infraschall enorme körperliche Belastungen bis hin zu schwersten Erkrankungen aufträten. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) kritisiere in einer Empfehlung aus dem Jahr 2007 einen deutlichen Mangel an umweltmedizinisch orientierten wissenschaftlichen Studien zu tieffrequentem Schall. Die Rechtsansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hierzu sei bekannt. Der Verwaltungsgerichtshof ignoriere bewusst die Fachmeinung medizinischer Experten. Die dabei oft genannte Studie des Landesamtes für Umwelt Bayern befasse sich aber nur mit reinen Berechnungen und sei mangels medizinischer Kompetenz nicht in der Lage, die tatsächlichen Gefahren für die Gesundheit der Anwohner letztlich zu beurteilen.
4
Die Genehmigung verstoße auch gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, die Anlagen würden schädliche Umwelteinwirkungen i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorrufen. Die bisher von der Rechtsprechung verwendete „Faustformel“ sei bekannt, könne jedoch auf heute gängige Anlagentypen nicht mehr angewandt werden. Eine optisch bedrängende Wirkung sei zu erwarten, da sich auf der den Windkraftanlagen zugewandten Seite des Anwesens der Antragsteller Schlafzimmer, Wohnküche und Wohnraum befänden, im Obergeschoss ein weiteres Schlafzimmer, Kinderzimmer und ein weiteres Wohnzimmer. Hingewiesen werde auch auf die Befeuerungseinrichtung der Windkraftanlagen, die ihr Erscheinungsbild noch verstärkten. Die Antragsteller müssten mit ständig wiederholenden Blinkzeichen der Anlage innerhalb der Wohnung rechnen und könnten sich dieser Immission nicht entziehen. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich ohnehin nicht zulässig, weil die vorhabenbezogene Bebauungsplanung der Marktgemeinde Dachsbach rechtswidrig erfolgt sei. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zum Bebauungsplanverfahren sei nachgewiesen worden, dass die Planung gegen private, aber auch gegen öffentliche Belange verstoße.
5
Die Anlagen lägen als raumbedeutsame Vorhaben zudem außerhalb der Vorbehaltsfläche WK 46 des Regionalplans Westmittelfranken. Der Gemeinderat Dachsbach habe in seiner Sitzung vom 23. September 2015 aber beschlossen, die im Jahr 2013 deklarierte Vorbehaltsfläche für Windkraftanlagen WK 46 insbesondere für das zweite geplante Windrad zu vergrößern und dies zu beantragen.
6
Hinsichtlich der Regionalplanung stelle sich unter dem Aspekt der Geltung der Art. 82 und 83 BayBO auch die grundsätzliche Frage, welche Ziele die Regionalplanung in Bayern überhaupt noch verfolgen könne. Jedenfalls könne die planungsrechtliche Zulässigkeit nicht mehr auf die uneingeschränkte Wirkung des Regionalplans gestützt werden. Die streitgegenständlichen Anlagen verstießen gegen Art. 82 bis 84 BayBO (10-H-Regelung). Eine ordnungsgemäße Bauleitplanung sei nicht durchgeführt worden, für den aufgestellten Plan fehle ein Planerfordernis. Die geplanten Anlagen verstießen gegen die Maßgaben des § 35 Abs. 3 BauGB, sie ließen die nachbarliche Rücksichtnahme vermissen und beeinträchtigten öffentliche Belange des Naturschutzes, der Landschaftspflege, der natürlichen Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert. Die Genehmigung scheitere daher an der sog. 10-H-Regelung.
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Auch sei die Abwägung der gegenseitigen Interessen fehlerhaft erfolgt. Die Begründung entbehre der gebotenen Objektivität der Genehmigungsbehörde. Für die Antragsteller sei eine enorme Wertminderung ihres Grundstückes anzunehmen. Ein öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestehe demgegenüber nicht. Die Interessen der Beigeladenen beträfen einzig und allein deren unternehmerisches Risiko. Dies könne dem Anspruch der Antragsteller auf Schutz vor rechtswidrigen Einwirkungen aber nicht entgegen gehalten werden. Im Ergebnis überwiege das Interesse der Antragsteller, von der Errichtung und der Inbetriebnahme der Windenergieanlagen verschont zu bleiben.
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Mit Beschluss vom 5. Juli 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller ab. Die Klage werde wohl keinen Erfolg haben, in der Abwägung zum Sofortvollzug stünden den Antragstellern auch keine sonstigen Gründe zur Seite, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten rechtfertigten. Die Begründung des Antragsgegners zum Sofortvollzug im angefochtenen Bescheid genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. In materieller Hinsicht seien die Antragsteller nicht in eigenen Rechten verletzt, was § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO für einen Klageerfolg jedoch verlange. Am zum Anwesen der Antragsteller nächstgelegenen in der Schallimmissionsprognose überprüften Immissionsort (Immissionsort B) sei der maßgebliche Nachtimmissionswert für Lärm um deutlich mehr als 6 dB(A) unterschritten. Das Defizit einer fehlenden Dreifachvermessung des Windkraftanlagentyps sei in der Prognose durch adäquate zusätzliche Sicherheitsaufschläge berücksichtigt worden. Bezüglich des Themas Lärm werde das Irrelevanzkriterium eines Abstands von mindestens 6 dB(A) erreicht. Vereinzelte gegenteilige Auffassungen zur Anwendbarkeit der TA Lärm stellten keinen gesicherten wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnisstand dar und könnten deshalb nicht zugrunde gelegt werden. Zu Vorbelastungen gerade nachts seien außer pauschalen Behauptungen keine konkreten Erklärungen erfolgt. Die TA Lärm erfasse auch die Probleme tieffrequenter Geräusche und der Körperschallübertragung, wie sich für letztere aus Nr. A.1.1.4 und A.1.3 des Anhangs ergebe, soweit sie menschlich wahrnehmbar seien. Schäden durch Infraschall aufgrund des Betriebs von Windkraftanlagen würden in der Rechtsprechung bisher jedoch nicht angenommen. Nach Nr. 8.2.8 der Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen vom 20. Dezember 2011 seien ab einem Abstand von 250 m, jedenfalls aber ab einem Abstand von 500 m zur Windkraftanlage keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall mehr zu erwarten. Vom Schattenwurf seien die Antragsteller nicht betroffen, die Warnbeleuchtung an den Anlagen sei nicht auf die Bodenoberfläche gerichtet. Angesichts der Entfernung der Antragsteller zur näheren der beiden Anlagen schwinde die Eindrucksrelevanz dieser Beleuchtung zudem deutlich. Auch das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Hinsichtlich der optisch bedrängenden Wirkung einer Anlage sei davon auszugehen, dass grundsätzlich ab einem Abstand des Dreifachen der Gesamthöhe einer Windkraftanlage nicht mehr von einem negativen Einfluss ausgegangen werden könne. Vorliegend würde bereits ein Abstand von 600 m reichen, betrage aber zum Anwesen der Antragsteller mehr als 1,5 km. Aspekte des Raumordnungsrechts seien nicht drittschützend, das Vorhaben liege auch eindeutig in dem auf gültiger Regionalplanung beruhenden Vorbehaltsgebiet (Vorbehaltsfläche WK 46). Die Angriffe der Antragsteller unter dem Gesichtspunkt der 10-H-Regelung führten nicht zum einem Erfolg. Art. 82 BayBO sei nicht drittschützend. Im Übrigen sei für den vorliegenden Fall § 30 Abs. 1 BauGB Genehmigungsgrundlage. Zu § 30 Abs. 1 BauGB habe die Antragstellerseite lediglich marginal Ausführungen gemacht. Das Bauplanungsrecht als solches sei für die Antragsteller auch nicht drittschützend. Lediglich ergänzend merke das Gericht an, dass die Standortgemeinde eine bauplanungsrechtliche Erforderlichkeit i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB habe bejahen dürfen, weil im Bebauungsplan nähere Vorgaben für die Windkraftanlage hätten gemacht werden sollen. Die vorhandenen Gesetze, Verordnungen und untergesetzlichen Regelwerke seien weiterhin gültig und heranziehbar. Von den Antragstellern in Einzelfällen erwähnte Entwürfe seien noch nicht umgesetzt. Sonstige Thesen zu Gutachten Dritter und Stellungnahmen außerhalb dieses Verfahrens hätten nicht den Grad einer allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung und auch nicht des Standes der Technik erreicht. Die Themen des Naturschutzes, insbesondere auch des Artenschutzes oder die Frage einer Beeinträchtigung des Landschafts- und Ortsbildes i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entfalteten keinen Drittschutz.
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Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts legten die Antragsteller unter dem 25. Juli 2017 Beschwerde ein. Sie beantragen,
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unter Abänderung des Beschlusses vom 5. Juli 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Genehmigung vom 30. Dezember 2016 herzustellen.
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Mit ihrer Beschwerdebegründung vom 11. August 2017 tragen die Antragsteller vor, dass in formeller Hinsicht bereits die Anordnung des Sofortvollzuges durch das Landratsamt rechtswidrig sei. Ein Beitrag zur Gewinnung erneuerbarer Energien reiche nicht aus, um alle entgegenstehenden Belange auszuschalten. Es habe keine Gegenüberstellung und Abwägung der widerstreitenden Interessen stattgefunden. Die Belange der Beigeladenen schilderten nur deren unternehmerisches Risiko und seien zudem vom Gericht nicht überprüft worden.
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Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch materiell rechtswidrig. Das Gericht spreche den Antragstellern ihre Rechtspositionen ab, die sich insbesondere aus § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB ergäben. Der Bebauungsplan widerspreche den Zielen des Regionalplans. Die bekannte Rechtsprechung zum Drittschutz müsse wegen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 (C-137/14) und vom 7. November 2013 (C-72/12) neu überdacht werden.
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Die streitgegenständlichen Vorhaben seien bauplanungsrechtlich unzulässig, darauf müsse sich ein betroffener Nachbar auch berufen können. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan gelte wegen der Verletzung der Rechte der Antragsteller als rechtswidrig. Eine Alternativbetrachtung des Verwaltungsgerichts zu § 35 BauGB sei wegen Art. 82 BayBO nicht tragend, die 10-H-Regelung sei eine drittschützende Abstandsvorschrift.
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Das Verwaltungsgericht habe auch die Betroffenheit der Antragsteller fehlerhaft bewertet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch der Infraschall als Körperschall zu berücksichtigen. Zum Stand der Wissenschaft sei auf eine Infraschall-Studie der Charité in Berlin, des PTB Braunschweig, des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf und dem Infraschall-Flyer der website Windwahn vom 4. Mai 2017 zu verweisen. Auch die Bundesanstalt für Geowissenschaften habe in einem Projekt von 2004 bis 2016 zum unhörbaren Schall von Windkraftanlagen festgestellt, dass Infraschall noch in 25 km Entfernung zu messen sei. Auch aus einer Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zusammen mit der Universität Patras vom August 2017 sei zu entnehmen, dass die Infraschall-Belastung in Häusern höher sein könne als im Freien, dies wegen der Übertragung durch das Grundgestein. Auch der Deutsche Arbeitgeberverband (Dr. K. S.: „Infraschall – der Bumerang der Energiewende“) habe aus präventiv medizinischer Sicht vor Infraschallauswirkungen gewarnt. Es gebe hierzu auch einen Filmbericht unter badisches.de.
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Wegen der sehr geringen Entfernung zum Wohnhaus der Antragsteller sei die Faustformel der Rechtsprechung zur Wirkung der Anlagen unanwendbar. Bewohner im Außenbereich dürften nicht schutzlos gestellt werden. Es liege eine rechtsfehlerhafte Abwägungsentscheidung zur Anordnung des Sofortvollzugs vor.
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Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Beigeladene beantragt unter Verweis auf ihren Vortrag erster Instanz, die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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Die Beschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg. Die von ihnen dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Beschwerdegerichts beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Prüfung der Voraussetzungen der §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht darauf abgestellt, dass der Rechtsbehelf der Antragsteller in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird und somit kein Anlass besteht, auf ihren Antrag hin die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO wäre die erhobene Klage der Antragsteller nämlich nicht schon dann erfolgreich, wenn der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, sondern erst dann, wenn die Antragsteller dadurch auch in ihren Rechten verletzt sind. Die Antragsteller können daher nicht jeden objektiven Rechtsverstoß geltend machen, sondern nur Verletzungen eigener Rechte oder solcher Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Interessen Dritter zu dienen bestimmt sind.
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Vorauszuschicken ist weiter, dass es sich bei den streitgegenständlichen Windkraftanlagen nicht um Vorhaben handelt, die als privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB genehmigt worden sind, sondern um immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Windkraftanlagen im Gebiet eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Standortgemeinde. Die Zulässigkeit solcher Vorhaben richtet sich allein nach den Vorschriften der §§ 30 Abs. 2 und 31 Abs. 2 BauGB. Ausführungen der Antragsteller zu einzelnen Voraussetzungen des § 35 BauGB, insbesondere § 35 Abs. 2 und 3 BauGB sowie zu Art. 82 Abs. 1 BayBO (der ohnehin nicht drittschützend ist, vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2017 – 22 ZB 16.1445 – juris Rn. 9) liegen daher von vornherein neben der Sache.
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1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung des Sofortvollzuges gemäß § 80 Abs. 3 VwGO auf S. 47 ff. des Genehmigungsbescheides vom 30. Dezember 2016 einzelfallbezogen hinreichend begründet. Das Landratsamt hat ausführlich die privaten Interessen des Anlagenbetreibers dargestellt, aber auch die Möglichkeiten der Verletzung von Rechten Dritter bewertet. Dass die Antragsteller das inhaltlich für unzutreffend halten, betrifft jedoch die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides.
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2. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Antragsteller als Drittbetroffene wegen § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur den Verstoß von Rechtsnormen rügen können, die auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind. Soweit die Antragsteller hierzu ausführen lassen, dass die Rechtsprechung zum Drittschutz neu überdacht werden müsse, handelt es sich um rechtspolitische Vorstellungen, die im geltenden Recht noch keinen Niederschlag gefunden haben. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang pauschal auf zwei Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs verweisen, ist auch diesen Entscheidungen nicht zu entnehmen, dass das nationale Recht generell nicht mehr auf die Verletzung eigener Rechte abstellen dürfte (das Gegenteil steht in Leitsatz 2 des Urteils vom 15.10.2015 – C-137/14 – juris; vgl. hierzu auch VGH BW, B.v. 5.4.2016 – 3 S 373/16 – juris Rn. 12). Die Beschwerdebegründung macht sich auch nicht die Mühe, mit Blick auf die beiden umfänglichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs herauszuarbeiten, ob die vorliegend angegriffenen beiden Windkraftanlagen überhaupt dem in den beiden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs bezeichneten Rechtsregime unterliegen.
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Auch die nur mit einem älteren Gemeinderatsbeschluss begründete und angesichts der 22. Änderung des Regionalplans (in Kraft getreten am 18. Oktober 2016) nicht nachvollziehbare bloße Behauptung, wenigstens eine der beiden streitgegenständlichen Windkraftanlagen liege nicht im Vorbehaltsgebiet für Windkraft (WKA 46) des Regionalplans, kann daher eine Rechtsverletzung der Antragsteller nicht begründen.
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3. Soweit sich die Antragsteller nur in pauschaler Weise auf die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens berufen, können sie damit nicht durchdringen. Ihre Behauptung, der aufgestellte vorhabenbezogene Bebauungsplan sei „wegen Verletzung der Rechte der Antragsteller“ rechtswidrig, ist in dieser pauschalen Form gerade auch wegen des erheblichen Abstandes des Wohnortes der Antragsteller zu den streitgegenständlichen Anlagen nicht nachvollziehbar.
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4. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass – auch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats – die TA Lärm zur Beurteilung des vorliegenden Falls anwendbar ist und sich aufgrund des im Verfahren eingereichten Lärmschutzgutachtens ergibt, dass am Anwesen der Antragsteller der anzuwendende Grenzwert deutlich unterschritten ist, ja sogar das Irrelevanzkriterium eines Abstands von mindestens 6 dB(A) erreicht sei.
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Das Verwaltungsgericht hat auf S. 22 des Beschlussabdrucks auch zu den Regelungen der TA Lärm in Bezug auf tieffrequente Geräusche hingewiesen, jedoch angenommen, dass jedenfalls ab einem Abstand von 500 m zur Windkraftanlage keine erheblichen Belästigungen durch Infraschall infolge menschlicher Wahrnehmbarkeit mehr zu erwarten seien. Der Senat teilt mit Blick auf Nr. 7.7 des Windenergie-Erlasses Bayern vom 19. Juli 2016 die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Antragsteller wegen der in ihrem Fall vorliegenden erheblichen Entfernung von etwa 1550 m zur näher gelegenen Windkraftanlage nicht von rechtserheblichen Belästigungen betroffen sind (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2017 – 22 ZB 16.1445 – juris Rn. 25-27; BayVGH, B.v. 8.6.2015 – 22 CS 15.686 – juris Rn. 23-24; OVG NRW, B.v. 29.6.2017 – 8 B 187/17 – juris Rn. 46). Soweit die Beschwerdebegründung vor allem zum Themenbereich des Infraschalles diese Bewertung des Verwaltungsgerichts als fehlerhaft rügt, gelingt es ihr nicht, auch nur annähernd darzulegen, dass diesbezüglich ein neuer Stand der Wissenschaft vorliegen soll, der bisherige Erkenntnisse unverwertbar machen würde. Der aktuell geltende bayerische Windenergie-Erlass in der Fassung vom 19. Juli 2016 geht unter Nr. 7.7 davon aus, dass bei üblichen Abständen von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung (größer als 500 m) die Schwelle der schädlichen Umwelteinwirkung wegen Überschreitens der Anhaltswerte der DIN 45680 nicht erreicht wird. Messungen hätten gezeigt, dass eine Windenergieanlage nur einen Bruchteil des in der Umgebung messbaren Infraschalls erzeuge. Dort ist auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hingewiesen, wonach bei komplexen Einwirkungen, über die noch keine hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht gebiete, alle nur denkbaren Schutzmaßnahmen zu treffen (vgl. B.v. 28.2.2002 – 1 BvR 1676/01 – juris Rn. 12). Der Verordnungsgeber sei insbesondere nicht verplichtet, Grenzwerte zum Schutz von Immissionen zu verschärfen oder erstmals festzuschreiben, über deren gesundheitsschädliche Wirkungen keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen.
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Der Beschwerdebegründung gelingt es nicht, durch die größtenteils ohne Fundstellen erfolgende Benennung einzelner medizinischer Studien, deren Inhalte nicht in den konkreten Bezug zur Schallimmission von Windkraftanlagen (mit Bezug zum vorliegenden Abstand von 1550 Metern) gestellt werden, einen davon abweichenden anderen oder neuen Stand der Wissenschaft zu belegen. Soweit die Beschwerdebegründung keine Fundstellen benennt und sich auch nicht konkret mit den Inhalten der jeweiligen Studie auseinandersetzt, entspricht sie schon nicht dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO.
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Auch aus der bloßen Messbarkeit in größerer Entfernung, wohl durch besonders empfindliche Messgeräte bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften, kann nicht auf besondere gesundheitschädliche Wirkungen geschlossen werden. Auch der im Internetauftritt des Deutschen Arbeitgeberverbands auffindbare Gastbeitrag eines Dr. Stiller zeigt nichts anderes. Er legt nur dar, dass ein gewisser Anteil der Bevölkerung für Infraschall empfindlich sein könne und dass es in Deutschland hierzu Forschung noch kaum gebe. Soweit dort aus „präventivmedizinischer Sicht“ ein sofortiges Ausbaumoratorium für Windkraft angemahnt wird, ist dies für die rechtliche Genehmigungsfähigkeit einer Windenergieanlage unerheblich (vgl. auch OVG LSA, B.v. 30.3.2017 – 2 M 11/17 – juris zu extra-auralen Gesundheitsbeeinträchtigungen).
28
5. Die Antragsteller machen weiter in pauschaler Weise geltend, dass aufgrund der „sehr geringen Entfernung“ zum Wohnhaus der Antragsteller die von der Rechtsprechung entwickelte „Faustformel“ zur Beurteilung einer optisch bedrängenden Wirkung und damit einer bauplanerischen Rücksichtslosigkeit unanwendbar sei. Im vorliegenden Fall allerdings beträgt die Entfernung des Wohnhauses der Antragsteller zur nächstgelegenen Windkraftanlage mehr als das Siebenfache der Höhe der Windkraftanlage. Eine optisch bedrängende Wirkung ohne hinzukommende besondere Umstände des Einzelfalles anzunehmen, ist daher nicht nachvollziehbar. Das gilt auch angesichts der vorgetragenen Situierung der Wohnräume innerhalb des Wohnhauses. Aufgrund der gesetzlichen Privilegierung von Windkraftanlagen in § 35 Abs. 1 BauGB sowie der Möglichkeit des Erlasses vorhabenbezogener Bebauungspläne wie im vorliegenden Fall müssen gerade Bewohner von Anwesen in der Nähe des Außenbereichs mit dem Entstehen derartiger Anlagen rechnen. Einen Rechtsanspruch, gleichsam schon vom Anblick dieser Anlagen verschont zu werden, gibt es nicht. Das Verwaltungsgericht hat auch zur luftfahrtrechtlich erforderlichen Befeuerung der Windkraftanlagen Ausführungen gemacht. Dass diese Befeuerung angesichts des erheblichen Abstandes des Anwesens der Antragsteller zur nächstgelegenen Windkraftanlage ein unzumutbares Maß annehmen könne, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen.
29
Im Ergebnis fehlt es damit nach summarischer Prüfung im Eilverfahren an einer Verletzung eigener Rechte der Antragsteller, der Genehmigungsbescheid wird sich, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen. Mangels Erfolgsaussicht der von den Antragstellern erhobenen Klage in der Hauptsache besteht kein Anlass, den Ausspruch des Landratsamts zur sofortigen Vollziehbarkeit der ausgesprochenen Genehmigung zu ändern.
30
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil dieser einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 19.2, 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs die Hälfte des Streitwerts in der Hauptsache anzusetzen ist.
32
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.